Die 68er Bewegung - 40 Jahre danach

von Joachim Trettin

Joachim Trettin misst die Lebensenergie Orgon mit dem Elektroskop

40 Jahre 68ger Bewegung- die Protagonisten sind heute im Rentenalter, viele haben Karriere gemacht, waren Regierungspräsidenten, Minister, Bundestagsabgeordnete, Künstler, Schriftsteller, andere wurden zu Verlierern, Drogenjunkies, Sozialhilfeempfänger.

Wie dem auch sei, alle mit denen man heute spricht sprechen von einem grossartigen Aufbruch ihrer Zeit mit ungeahnten Möglichkeiten. Alles schien möglich- "jetzt und direkt", dieser Punkt ist allen auch heute noch wichtig. Alles war möglich, wenn man es nur wirklich wollte.In Frankreich bestand die Möglichkeit, dass Arbeiter und Studenten eine tatsächliche Revolution zu Stande bringen würden, doch letztlich gelang sie nicht.

Es wurden neue Lebensmodelle diskutiert.1966 bereits traf sich eine Gruppe im Süden Bayerns um Rudi Dutschke und Dieter Kunzelmann um neue Gesellschaftsmodelle zu diskutieren und zu entwickeln. Später stand mehr die revolutionäre Taktik im Vordergrund. Die Frage war wie man Menschen politisieren konnte. Es sollte ein neues Bewusstsein im Mittelstand gebildet werden, aber man musste auch mit den Arbeitern sprechen und viele der 68ger, Franzosen, Deutsche, Italiener gingen später aus politischen Gründen als Arbeiter in die Betriebe, jedoch mit wenig Erfolg in Bezug auf eine neue Perspektive.

Auch die Emanzipation der Frauen bekam einen neuen Aufschwung und bildete ihre eigene Form der Organisation und Bewegung. 68 ist auch heute noch ein schlafendes Potential bei den Älteren von uns. Eine solche Erfahrung die gemacht wurde veränderte das Leben für immer. Der Sternmarsch auf Bonn gegen die Notstandsgesetze war ein großes Sammelbecken für alle. Wir alle wollten nicht wieder in eine Nazi-Diktatur zurückfallen.

Die Emanzipation, das Abschütteln alter Fesseln war entscheidend. Dadurch entdeckte man neues ursprüngliches, tieferes Leben. Die sexuelle Revolution begann, das Abschütteln konventioneller Verklemmtheit. Das war der Aufbruch.

Wenn wir uns in die 60er Jahre zurück versetzen, betreten wir damit einen kulturell-philosophisch anderen Raum und müssen uns geistig anders orientieren, denn die sechziger Jahre waren die Jahre der Kulturrevolution, zumindest für die, die darin teilnahmen. Statt des Schlachtrufs "Rot Front" erschallte nun bei den Linken die Parole "Kampf dem Patriarchat". Und links waren sie alle, zumindest linksliberal oder linksopportunistisch. Besonders an der Uni.

Um eine Vorstellung von der sexualökonomischen Ausgangssituation zu bekommen sei hier nur erwähnt, daß der Kuppeleiparagraph sowie der Paragraph 175, der die Homosexuellen betraf, gerade erst außer Kraft gesetzt war. Allein diese Tatsache machte die Bildung von Kommunen in Deutschland erst möglich.

Um die Kulturrevolution überhaupt besser für diejenigen verständlich zu machen, die ihren Ursprung und ihre Geschichte kaum kennen, hier einige kurze Vorbemerkungen.

Wilhelm Reich, einer der letzten großen umfassenden Theoretiker dieses Jahrhunderts (1897-1957) bezeichnete den Kern jeglicher wirklichen Kulturrevolution als "Die Sexuelle Revolution."

Dieser Theorie liegt zu Grunde, daß der wirkliche produktive seelische Faktor, den Freud die Libido nannte, in der christlich abendländischen Kultur unterdrückt ist und sich als ein neurotischer- kranker Kulturkomplex umsetzt, in dessen Zentrum das Sammeln ökonomischer Besitztümer steht. Jedoch nur für wenige, die anderen gehen leer aus. Die Sexualität und der damit verbundene psychische Apparat werden dieser Funktion untergeordnet und ermöglichen erst mittels ihrer Deformation diesen Prozess.

Charakterlich sind die Menschen nun von ihrer Natur entfremdet und entwickeln statt sozialer Potenz Neurosen. Sie fühlen sich schwach und schließen sich gerne Führern an, die sie mystisch verehren und die ihnen ein ideologisches wie praktisches Ventil für ihren unterdrückten Sadismus anbieten.

Über alle ideologischen Grenzen hinweg schließen sich die Betroffenen dieser Charakterstruktur zusammen, um der Angst zu entgehen die das aufstrebende Leben in der Konfrontation mit ihnen erzeugt, indem sie das natürliche Leben bewußt oder unbewußt bekämpfen wo immer es sich zeigt oder wo sie Einfluß darauf haben. Zu lange Zeit der Abstinenz erzeugt einen biophysischen Hass auf das biologische Leben, das selber nicht mehr gelebt werden kann, so lehrt es die Orgonbiophysik. Die Attacken gegen den lebendigen Ausdruck beginnen bereits im Babyalter und ziehen sich durch die gesamte Kindheit, Schule, Ausbildung und späteren Beruf. Wer kennt nicht den Spruch "der liebe Gott sieht alles, auch deine bösen Finger unter der Bettdecke."

Wir könnten hier eine lange Auflistung der unbewußt automatisch wirkenden Verhaltensmuster geben, die ein Kind durchlaufen muß bis es den Punkt erreicht hat, indem seine sexuelle und psychische Deformation so sublimiert ist, daß der "bürgerlich-anständige" Charakter geformt ist.

Von der Geburt an, in zu hellen Kreissälen, in Isolation von der Mutter direkt nach der Geburt, durch mangelnde emotionelle Wärme der fehlenden Brust, anale Repression, Einschüchterung in der phallischen Darstellungsfreude sowie Isolierung der aufstrebenden Sexualität, durchläuft der Mensch allein bis zum Schulbeginn ein kulturelles Trauma.

Wir sehen hier schon theoretisch, daß die revolutionäre Kinderbewegung mindestens 2 Theoriepfeiler hatte. Zum einen die ökonomische Kritik von Karl Marx und zum anderen die Entdeckung des Unbewußten durch Siegmund Freund.

Während Marx jedoch den Gesellschaftscharakter der Produktion unterstrich, weigerte sich Freud dasselbe auf dem Gebiet des Unbewußten zu tun. Er glaubte, daß Kultur erst durch Unterdrückung sexueller Wünsche möglich würde. Welch ein Irrtum eines Psychiaters, der die kindliche Sexualität selbst erst entdeckte und dessen Schule sich bereits kurze Zeit später dazu verleiten ließ, sich Hitlerdeutschland anzubiedern.

Reich, Freuds Hauptschüler bezüglich der Libidotheorie, korrigierte Freuds Fehler. Entsprechend stellt er den Grundsatz auf, daß sexuelle Potenz soziale Potenz wäre. 1927 erschien "die Funktion des Orgasmus."

Die dialektische Ineinandersetzung dieser beiden Theorien, der sozial- und der psychoökonomischen und ihre Erhebung zur gesellschaftlichen Befreiungstheorie wurde von ihm geschaffen. Das Organisationsschema zur ihrer Durchsetzung war die Sex Pol-Organisation für Sexualität und Politik. Neben individueller Aufarbeitung der Charaktermanipulation war für Reich das freie kulturelle Aufwachsen der Kinder der primäre Aspekt einer Gesellschaftserneuerung, sowie Einrichtung der entsprechenden Institutionen.

A. S. Neill, dessen Konzept über freies Kinderaufwachsen ebenfalls in den 60ger Jahren populär wurde war ein persönlicher Freund Reichs und der Begründer der heute noch bestehenden legendären Summerhillschule.Summerhill seinerseits war weit entfernt von gesellschaftlichen Revolutionstheorien. In Summerhill hatten Kinder die Möglichkeit psychisch gesund aufzuwachsen, frei von Repression und frei von Schulzwang. Den einzigen Zwang, wenn man das so nennen kann, war das "Meeting" auf den die Kinder selbst ihre Regeln festlegten, die aber auch dann obligatorisch für alle waren. Das war gut für die Summerhillkinder- nutzte aber der übrigen Bevölkerung wenig.

So kann man sagen, daß wir es 1969 auch mit 2 Arten des Kindseins zu tun hatten. Da gab es auf der einen Seite die Kinder, die man vor der kulturellen Schädigung bewahren wollte und auf der anderen Seite, die "großen" Kinder, die ihre Geschichte im Sinne einer neuen gesellschaftlichen Bestimmung aufarbeiten wollten.

Zu der europäisch philosophischen Seite der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gesellte sich die amerikanische Musik- und Literaturszene hinzu, die die 2. Hälfte wesentlich beeinflussen sollte.

Ihre historischen Wurzeln hatte diese Kulturrevolution in den USA. Dort trafen sich in New York im Dezember 1946 Neal Cassady, Jack Kerouac und Allan Ginsberg. Alle Chronisten sind sich darüber einig, daß es die Beatbewegung ohne Cassady wahrscheinlich nie gegeben hätte. Cassady war unglaublich kompromisslos und Kerouacs Buch "On the road" basierte auf der viertägigen Autofahrt von der Ost- an die Westküste, die Neal mit Jack unternahm. Das gab ihm Stoff für ein ganzes Buch. Es war die Beschreibung dieses neuen Lebensstils, der des Boheme.

Der Begriff "Boheme" knüpfte an das Leben der Schriftsteller an, die nach dem 1. Weltkrieg in Paris lebten. Um die Schriftstellerin Gertrude Stein gruppierten sich Anfang der 2oer Jahre eine Gruppe von meist amerikanischen Schriftstellern wie Ernest Hemingway, die im Pariser Boheme einen neuen Lebensstil suchten. Sie wurden unter dem Namen "the lost generation" bekannt. Stein war sehr von dem Philosophen Henri Bergson angetan, der die Orgonenergie philosophisch vorweg nahm, die er elan vital nannte. Wilhelm Reich wurde in seinen frühen Jahren durch Bergson stark beeinflusst.

Auch hatte die spätere deutsche Bewegung eine ähnliche Ausgangsbasis wie die amerikanische. Die USA Besatzungsmacht hatte die jungen Deutschen kulturell amerikanisiert. Alle hörten damals amerikanisches Radio, AFN.

So entstanden alle diese Bewegungen nach Kriegsende, jedoch in einer Phase der Ruhe und der eher bürgerlichen Langeweile.

Das scheint ein Hinweis darauf zu sei, daß ökonomische Krisensituationen, wie wir sie beispielsweise jetzt, 1997 durchleben keine gute Voraussetzung für eine solche Entwicklung sind.

In Amerika bildete sich Anfang der 50er Jahre allmählich eine Subkultur heraus, deren Informationsträger vor allem neben den Untergrundpoeten wie z.B. William Burroughs und Gary Snyder, Vertreter der Rythm & Bluesmusik und des Rock n Roll waren.

Mildred Brady, der es zu verdanken ist, daß Wilhelm Reich 1957 inhaftiert wurde und im Gefängnis 1957 starb, machte Reich für die Beat-Bewegung in San Francisco verantwortlich und klagte das in einem öffentlichen Artikel an. Der Zen-Poet Snyder forderte Kerouac auf, eine Sutra auf den Orgonakkumulator zu schreiben. Doch tatsächlich kannten sich Kerouac und Reich nicht und gehörten auch nicht einem gemeinsamen Kulturkreis an.

1960 kam der Twist auf und beunruhigte die amerikanische Mittelschicht ebenso, wie der Rock n Roll in den 50ern, was Bürgerkampagnen zur Folge hatte. Die Menschen wurden einfach zu bewegt, was bedeutete, zu sexuell.

Die literarische und musikorientierte Subkultur griff nach Europa über und fand ihren Ausdruck in der europäischen Beatbewegung und Mitte der 60er Jahre gesellten sich die Beatles und die amerikanische Hippieideologie dazu. Timothy Leary propagierte die Einnahme von LSD zur Bewußtseinserweiterung, was eine enorme Vertiefung des Geistes brachte und wer es einmal genommen hatte, für den war die Welt nie wieder so, wie er sie vorher gekannt hatte.

Außerdem hatte es sich herumgesprochen, daß man mit Dope besser durch geldlose Zeiten kam, als mit Geld durch dopelose. Undergroundjournale brachten Fotos von Studenten vor ihrem ersten Joint (ziemlich mickerich und kurzgeschoren) und nachher, nachdem sie sich gut eingeraucht hatten (langhaarig und völlig ausgeflippt). Das Leben wurde wieder lebenswert. Irgend etwas fing an sich in den europäischen und amerikanischen Metropolen des Kapitalismus zu entfesseln.

Einer der stärksten Exponenten dieser Zeit war neben dem Wunsch nach sexueller Freiheit (die Pille machte es möglich), der Eltern Kind-Konflikt, eine Kulturkomponente, die sich jetzt mehr nach außen drängte und sich gesellschaftlich ausdrückten wollte.

Ich erinnere mich noch gut an meine eigene christliche Internatszeit in der Villa Andreae in Königstein, der spätere Sitz des Baulöwen Jürgen Schneider, in der es uns verboten wurde, die Haare in die Stirn zu kämmen. Es wurde auch nicht gern gesehen, wenn wir die Musik der Beatles hörten. Es wurde behauptet, diese Musik würde das Radio beschädigen. Oberprimaner konnten in dieser Zeit an gewissen Gymnasien ihr Abitur nicht machen, weil sie lange Haare hatten, für Lehrlinge traf ähnliches zu.

Diese repressiven Maßnahmen gegen eine freie Persönlichkeitsentwicklung sollten später der Anlaß zur Kinderzeitung Nr.1 werden, die für einige Tage die Gemüter der Kölner Bürger erregte und von Heinrich Böll energisch verteidigt wurde.

Mitte der 60ger Jahre begannen die Studenten für eine Hochschulreform zu kämpfen. Es verwundert kaum, daß es gerade die Intellektuellen waren, für die eine Hochschulpolitik auch nicht von der ökonomischen Frage zu trennen war. Somit wurde die Fragestellung der Hochschule sehr schnell zur Fragestellung der Politik in der BRD überhaupt.

Im Zuge der sozialdemokratischen Bildungspolitik wurden die Universitäten zum sozialen Sprungbrett der Nachkriegsgeneration. Bei gleichzeitiger Überfüllung der Universitäten blieben die Strukturen unbeweglich und passten sich der neuen Situation nicht an. Der eigentliche Beginn der Studentenbewegung war das FREE SPEACH MOVEMENT in Berkeley 1964. Von dort aus breitete sich die Studentenbewegung bis nach Europa aus und fasste besonders in Deutschland 1966 und Frankreich 1968 Fuß. In Berkeley gab es bereits 1964 die ersten Demonstrationen von Studenten gegen Eisenbahntransporte von Soldaten, die für Vietnam bestimmt waren. Der Vater der Studentenbewegung in Berkeley war Herbert Marcuse, der auch später als Theoretiker der Verbindung von Marx und Freud eine große Rolle spielen sollte. Marcuse emigrierte in den 30ger Jahren nach Hitlers Machtantritt in die USA. Er gehörte zum Frankfurter Institut für Sozialforschung, das von Theodor Adorno und Max Horkheimer gegründet, jedoch von den NAZIS verboten wurde und erst 1949 nach Deutschland wieder zurückkehrte. "Die kritische Theorie" war der Versuch, soziologische Ursachen ausfindig zu machen, warum die Barbarei und der Faschismus immer wieder über die Vernunft (Kant) bzw. die Rationalität (Reich) dominierten. Marcuse, der Soziologie und Psychologie politisch verband, prägte den Begriff der "repressiven Entsublimierung", was man einfacher mit "sexueller Revolution " übersetzen könnte.

Es ist in sich eigentlich zwingend, daß eine kritische politische Auseinandersetzung sozialistischen Charakter annimmt, und so war das auch in der BRD der Fall.

Jedoch ist es hier wichtig herauszustellen, daß die linke Studentenbewegung durchaus nicht mit der kommunistischen Bewegung der 3oer Jahre gleichzusetzen war. Sie war etwas völlig anderes und ihr progressiver und treibender Teil gehörte eindeutig zur sexuellen Kulturrevolution.Gott sei Dank war die Bewegung arrogant genug, darauf mit Recht stolz zu sein. Schon im damaligen SDS entwickelte sich die Spaltung zwischen mechanischem Ökonomismus und der kulturevolutionären Linie.

Ein daraus entstandenes Ergebnis war die Kommunebewegung. Ich glaube es ist sicherlich nicht übertrieben, wenn ich sage, daß die politischen Kommunen der radikalste Teil der Bewegung war. Hier wurde der Mensch gläsernd, eine unvermeidliche Tatsache, wie man ihn auch in der Psychotherapie kennt. Und er wurde gesellschaftlich, öffentlich einsehbar. Er fing an über seine Bedürfnisse zu sprechen und Möglichkeiten ihrer Befriedigung zu erörtern.

Gesellschaftstheoretisch war eine Person von politischen Referenzen nicht zu trennen. Diese Dogma galt obligatorisch. Es gab also keinen unpolitischen Menschen, nur einen bewußten oder einen unbewußten Vertreter dieser Tatsache.

Ein wesentlicher Teil der praktischen Aktivitäten in der Kommune war es die gesellschaftliche Arbeit und das private Leben wieder zu vereinigen bzw. die künstliche Trennung, vor allem psychologisch und gesellschaftlich praktisch aufzuarbeiten und aufzuheben. Die Kritik der kapitalistischen Arbeitsteilung wurde zur Kritik der Teilung von Produktion und Konsumtion im alltäglichen Leben.

Es kam auch nicht von ungefähr, daß sich die Kinderläden aus dieser kritischen Bewegung herauskristallisierten. Man brauchte vernünftige Tagesstätten für Kinder, wenn man neben dem Studium auch noch politisch arbeiten wollte. So schaffte man sich eigene Institutionen- eben die Kinderläden. Ihr theoretischer Vorreiter wurde u.a. die Kommune 2 in Berlin, aber auch andere Kommunen waren involviert wie die Charlotteburger Kommune Wielandstraße, Aus der Revolutionierung des bürgerlichen Individuums entstanden sehr viele praktische Fragen und praktische Revolutionsansätze.

Tatsächlich schien die Kommune die Erfüllung vieler Wünsche zu sein. Wenn sie gut funktionierte, war sie eine Quelle für Inspirationen. Sie hob Isolation auf, sie leistete jegliche Art praktischer Arbeit und schaffte Verbindungen, die in der bürgerlichen Gesellschaftsstruktur tabuisiert waren. Sie war ein permanentes Diskussionsforum und schuf eine offene Basis zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse. In Kommunen war es nie langweilig. Eher war immer zu viel los und es gab immer gleichzeitig verschiedene Perspektiven.

Wenn sie schlecht funktionierte wurde sie zur Quelle jeglichen persönlichen wie politischen Psychoterrors. 1969 gab es bereits in West-Berlin 3 Kommunen, die sich Kommunen der K1 Geschädigten nannten.

Die Quelle der Kommunebewegung war der Berliner SDS und nur in Berlin konnte so etwas wie die politische Kulturkommune entstehen. Von Berlin aus verbreiteten sich die Kommunen über ganz Deutschland.

Die Kommune war die Zelle zur individuellen Veränderung. Produktionsmittel waren vergesellschaftet. Zweierbeziehungen aufgehoben, es gab einen permanenten Diskussionsbedarf wie man das Leben besser gestalten könnte. Psychische Strukturen wurden analysiert sowie ihr entsprechender Überbau im Gesellschaftlichen.- Doch Kommunen wurden bald durch Wohngemeinschaften abgelöst. Türen wurden wieder verschlossen, es gab wieder Privates und keiner war einer emanzipatorischen Veränderung verpflichtet. Die Kommune als Wohngemeinschaft war ein Übergang. Das Leben wurde wieder unpolitisch. Der Psychologe Prof. Peter Brückner aus Hannover sah in den Kommunen eine politische Instanz, seine Gefährtin die Journalistin Barbara Sichtermann nicht. Bei den späteren Grünen stand die Umstrukturierung des Individuums, d.h. die natürliche Emanzipation, das Abschälen von rationalisierter "Kultur" nicht mehr auf dem Programm, obwohl der Anspruch anfangs noch bestand (neue Männer braucht das Land). Entsprechende Freiräume wurden aber nicht konzipiert und auch nicht gefördert. Aus Fundamentalisten wurden die Realpolitiker. Der harte Kern der 68er organisierte sich leider nicht und verspielte damit einen Teil einer bereits erlangten realen Revolution.

Damit endete ein trauriges Kapitel über "Revolutionierung des bürgerlichen Individuums" wie die Kommune 2 es einmal beschrieb. Die Revolution von der wir sprechen war die der Intelligenz, wie wir es damals nannten,- nicht die der Arbeiter.

Der Marsch durch die Institution gebar eine neue Klasse, die grüne Bourgeoisie später in Armanianzügen und mit kubanischer Zigarre.

Orgontherapeutische Umstrukturierung wie sie heute bei uns, dem OrgonInstitut Gang und Gebe ist, gab es 68 noch nicht. Dafür sind heute die Lebensräume verloren, in denen das neu gewonnene Leben hätte gedeihen können. Schön ist es jedoch zu beobachten wie die Individuen sich während der Therapie befreien. So blieb der Drang nach Befreiung doch ein bleibender Tenor. Neue Lebensräume dafür müssen jedoch wieder erobert werden, allerdings von einer anderen Generation, die die Notwendigkeit dafür begreift.

Der Gang durch die Institution hat leider zu zu viel Anpassung geführt. Es war gefährlich sich dem auszusetzen. Die bürgerlichen Verführungen waren zu gross, die Emanzipation blieb auf der Strecke.Erbe der 68er Revolution ist mit Sicherheit das Wilhelm Reich Institut Deutschland.

Auch in dem Wissenschaftsbereich, den der Gesellschaftsrevolutionär und Psychoanalytiker Wilhelm Reich "Orgonomie "nannte, gibt es gesellschaftliche reaktionäre Tendenzen, die aus revolutionärem Gedankengut einen Sektenkult kreierten. Orgonomie muss sich nach allen Richtungen hin öffnen, sie muss im humanen Sinne liberal sein und im gesellschaftlichen unnachgiebig. Wir brauchen die "sanfte Geburt" in allen Kliniken und ein freies Aufwachsen der Kinder, schulische Bildung für alle, nicht nur für die Reichen. Wir werden dann sehen welche Formen unsere Kindeskinder wählen werden um eine neue Weltgesellschaft zu gestalten, vielleicht 2068.

Der Autor (links), nach einer Razzia vor der Mensa, bei der der Journalist Jens Hagen Verhaftungen verhindern konnte,

dokumentiert in dem Journal Konkret Juni 1969