update 10.Juni `01

Reise USA

WILHELM REICH UND SEINE MITARBEITER 

Eine Beschreibung der interviewten Personen

von Beate Freihold und Joachim Trettin

.

John Trettin und Beate Freihold in Rangeley, Maine, USA, in der Nähe des Wilhelm Reich Museums

.

Dieser Bericht ist eine vorläufige Fassung. Er wird in späterer Zeit noch um viele Details erweitert werden. Hier soll er zu einer kurzen Beschreibung der interviewten Personen der "American Tapes-Liste" (Button 3 dieser Kategorie) sowie der Reise selber beitragen.

1989 unternahm das ORGONOMISCHE VIDEOARCHIV (heute eine Abteilung des IOO) eine ausgedehnte Reise durch die USA, mit dem Ziel, ehemalige Mitarbeiter Wilhelm Reichs zu interviewen. Das besondere Anliegen war etwas über die sozialen Umstände der Pionierjahre der Orgonomie in den 4oer und 5oer Jahren zu erfahren, aber natürlich auch über Wilhelm Reich und die Orgonomie. Besonders interessierte es uns, wie Reichs Mitarbeiter ihn selbst sahen, mit ihm lebten und arbeiteten und die Zeit mit ihm rückblickend beurteilten (der spezielle Artikel dazu wird zu einem späteren Zeitpunkt in DOS erscheinen ).

Die grundlegende Idee kam aus unserem Interesse bezüglich der soziologischen Orgonomie, die für uns persönlich die Fortsetzung der 68er Reichbewegung der BRD war, oder besser werden sollte (siehe auch den Artikel von John Joachim Trettin über" Arbeitsdemokratie, Selbstregulation und Politik" in DOS)

Der aktuelle Anlaß war der 45 minütige Film von Digne Meller-Marcovicz mit Reichzeugen und heutigen Arbeitenden in Interviews. Auch uns, "die Orgontechnik " filmte sie in Berlin, doch das Material fand in ihrem Film keine Verwendung. Sie lud uns in ihr Haus nach Italien ein um uns gefilmtes Material vorzuführen, zeigte uns aber keinen einzigen Meter. Enttäuscht fuhren wir nach 3 Tagen wieder ab. Am sonnigen italienischen Strand von Lido degli Estensi konzipierten wir dann anschließend die Idee zu einer eigenen Reise durch die USA mit Interviews und einer Form die für alle zugänglich sein sollte und die wir auch bereits 7 Monate später, quasi aus dem Nichts, realisierten.

Wie für alle größeren Projekte brauchten auch wir für unseres einen Sponsor. Den fanden wir in einem Freund der Orgonomie in Holland. Er stattete uns mit etwa 120.000,- DM für Technik und Reise aus. Dieses Geld reichte gerade für die Anschaffung der nötigen Geräte zur Aufzeichnung und der Basisausrüstung zur Weiterverarbeitung. Es wurde die Grundlage für alle späteren Aktivitäten des Orgonomischen Videoarchivs (OVA) (siehe auch DOS button Video/Audio: "Das Orgonomische Videoarchiv, Nümbrecht / Aufzeichnungen des Orgonomischen Videoarchivs Berlin 1988-1994") das in den folgenden 5 Jahren etwa 2oo Bänder über Orgonomie aufzeichnete, von denen die Hälfte editiert und herausgegeben wurde. Der kleinste Teil des Geldes wurde für die Reiseunkosten selber verwandt.

Das Vorhaben, die Bänder aufzuarbeiten konnte mangels Geld nicht mehr realisiert werden. Trotzdem sind wir nach wie vor daran interessiert die Bänder in Internationalen Bibliotheken unterbringen. Für die USA sieht das so aus, als würden die Bänder demnächst in einer von uns produzieren Form in einer Bibliothek in Maine zunächst einsehbar sein.

Wir möchten aber auch deutsche Bibliotheken für dieses Unternehmen interessieren. Die Rechte, Autorenrechte, sowie die Darstellungsrechte liegen beim OVA, namentlich Joachim Trettin, Spreitger Weg 20, 51588 Nümbrecht, Fax: 02293/4935.

Bitte setzen Sie sich bei Interesse mit uns in Verbindung. Wir sind an jeder Bibliothek interessiert die sich finanziell dafür engagieren möchte, die Bänder einem öffentlichen Publikum zugänglich zumachen. Die Bänder wurden auf S-VHS mit der JVC-Kamera KY -15 aufgezeichnet und sind jetzt 7 Jahre alt. Es gäbe also noch die Möglichkeit sie zu digitalisieren, wenn sich ein Sponsor dafür bereit finden würde. Auch eine filmische Weiterverarbeitung ist in erster Linie eine finanzielle Frage. Wir hätten genug Material für einen 180 Minutenfilm oder länger.

Nachdem die Idee der Interviewreise geboren war und wir eine Zusicherung über die finanziellen Mittel hatten, versuchten wir also eine Adressenliste aufzustellen und schrieben verschiedene Personen der Orgonomie in den USA an und stellten unsere Vorhaben dar. Wir bekamen einige freundliche Briefe zurück, die uns weiter ermutigten und unserem Unternehmen die nötige Grundlage gab.

Mit einer guten Kameraausrüstung, der Adressenliste und dem nötigen Reisegeld bestiegen wir im April 1989 unseren Flieger nach L.A..

Unser erster Anlaufpunkt war Chuck Kelley. Chuck (1) war früher leitender Wissenschaftler und Labordirektor bei Dunlop & Associates. Er promovierte 1958 an der New School for Social Research in New York in Psychologie. Während des 2. Weltkriegs diente er in der Amerikanischen Luftwaffe als Wetterberichtserstatter. Reich lernte er in den 50er Jahren nach dem Oranurexperiment kennen. Im Interview beschrieb er die ORANUR-Atmosphäre in Reichs Observatorium bei einem Besuch. Wie viele andere gehörte er später zu dem Personenkreis, die einer Ausgrenzung aus der Orgonomie zum Opfer fielen. All diese Personen gründeten später ihre eigenen Institute, so Chuck beispielsweise das Radixinstitut 1960.

Chuck entwickelte später seine eigenen Vorstellungen über Energetik, die jedoch sehr von der Orgonomie abweichen und über die mir bisher keine naturwissenschaftlichen Verifikationen bekannt sind. So erzählte uns Chuck später in den mit ihm geführten Interviews, der Orgonakkumulator würde Orgonenergie nicht konzentrieren, sondern nach außen ableiten. In den Interviews zeigte sich Chucks Verbitterung über ehemalige orgonomische Mitstreiter. Ein Verhalten, was ich persönlich gut verstehen konnte und was auch bestimmt Chucks Werdegang in späterer Zeit beeinflußte. Als "Orgonjunky" konnte ich Chucks Ansichten nicht teilen, doch den Schmerz der ihm zugefügt worden war konnte ich gut verstehen. Es ist klar, daß hier nicht der Platz sein kann verschiedene Theorien zu erörtern. Sagen möchte ich aber, daß Chucks Theorien auch einige sehr interessante Aspekte hatten. Zum Beispiel den einer entstehenden Energie, im Gegensatz zu einer konstanten.

Chuck selber war zu diesem Zeitpunkt aus der Radix-Organisation ausgeschlossen worden. So weit ich mich erinnere, hatte er mit Mühe erreicht, seine eigenen Bücher aus der Radixorganisation zu lösen und wieder selber herausgeben zu können (Chuck war es verboten worden, seine eigenen Bücher herauszugeben).

Chuck war ein Mensch, der zögernd und bedacht sprach. Seine Frau Erica sagte uns, wir würden gerade Zeuge des Beginns einer neuen Aktivität in Chucks Leben. So nahmen wir damals an Chucks ersten öffentlichen Auftreten teil, einem Vortrag über Wilhelm Reich und seine Arbeit, die er vor geladenen Gästen in seinem Haus gab. Chucks Interview gehört wohl neben dem von Bob Morris und Jorge Stolkiner zu den umfangreichsten dieser Tour und umfaßt etwa 10 Stunden. Wir kannten Chuck vor unserer Amerikareise nicht persönlich. Der deutsche Verleger seines Buches "Eine neue Methode zur Wetterkontrolle" war der Verleger unseres Buches "AAO - Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" und über einen brieflichen Kontakt mit Chuck bekamen wir von ihm einen Studienplatz zur Cloudbustingausbildung zugesagt.

Bei den Kelleys verbrachten wir ganze 10 Tage. Erica meinte, Chuck würde mit seinen "Pfeifen " nicht genug Feuchtigkeit in das überhitzte Kalifornien bringen und so war es schon beschlossene Sache für die beiden umzuziehen. Das Radixinstitut lag in Ojai, das allerdings Ohai ausgesprochen wurde, nahe Santa Monika. Es lag auf einem Hügel und Chuck erzählte uns, daß das Haus unterhalb die Residenz vor Krishnamurti, dem ehemaligen Oberhaupt des "Order of the star of the East", war. Wir befanden uns also in einem Prominentenviertel. Auch Al Baumann hatte hier einige Zeit gelebt.

Erst später wurde uns klar, welch unglaubliches Glück wir hatten die Kelleys als erste zu besuchen. Sie versorgten uns nicht nur mit allem was wir brauchten, sondern stuften unser Vorhaben auch als wichtig ein, was uns am Anfang dieser Reise die emotionelle Unterstützung gab, die wir brauchten. Wir kauften uns dort einen Doge-Van, den wir bei den Kelleys in aller Ruhe umbauen konnten und der die gesamte Reise mehrfach quer durch Amerika ohne eine Reparatur überstand. Wir haben die Kelleys nach ihrem Umzug von Ojai nie wieder gesehen und kennen auch ihre derzeitige Adresse nicht. Obwohl sie bestimmt nie diesen Artikel lesen werden, wollen wir Euch, Erica und Chuck nochmals unseren Dank aussprechen für Eure freundliche Gastfreundschaft und Hilfe. Was immer Ihr tut oder in Zukunft tun werdet - wir wünschen Euch alles Gute.

Wir hatten für Anfang Mai einen festen Termin mit einem Cloudbusteroperateur für eine Cloudbustingoperation am Coloradoriver in Blythe. Er lebte in der Nähe von Berkeley. Wir hatten für ihn einen Artikel über Cloudbusting ins Deutsche übersetzt und gehörten dem ersten internen Cloudbusterworkshop in Berlin an, der ihn zu einem Vortrag einlud. Ich hatte bereits schon 1984 die ersten Cloudbusterversuche in Berlin unternommen. Ich glaube, ich fragte ihn bereits am ersten Tag, ob er sich vorstellen könnte eine Gruppe über Cloudbusting in Deutschland cooperativ zu begleiten. Ich werde nie seine Reaktion vergessen, die darin bestand so zu tun, als hätte er die Frage überhaupt nicht wahrgenommen. Ein typisches Verhalten für ihn, wie ich später feststellte, wenn er sich von der Spontanität anderer überrascht fühlte und noch kein eigenes Konzept dafür hatte. In Amerika konnte er dann schon unter emotioneller Erregung sagen, wen er auf jeden Fall aus dem "Profiworkshop" nicht dabei haben wollte. Es waren vor allem die Personen, mit denen er sich dann später in Deutschland (aus Vorteilsgründen) umgab. In Berlin dann wurde er der temporäre Leiter der Cloudbustinggruppe "Waldsterben," die später in "Waldheilung" umbenannt wurde, einer Gruppe für die BRD, Österreich und der Schweiz, die aber selbst starb, bevor sie etwas heilen konnte.

Er selber stützt sich auf eine Sahara-These, die vor allem besagt, daß sich das Patriarchat in dem DOR - Notstandsgebiet Sahara, Asien und Arabien bildete und sich von dort weltweit ausbreitete. Obwohl er glaubt diese "Wüstenauswanderung" an Hand von Fakten nachweisen zu können , ist seine " Ursprungsthese der Neurose " umstritten, da sie zwar historische Fakten beschreibt, aber lediglich den Dorzustand, die Verwüstung, Versteppung und den damit verbundenen Hunger, Expansion und Gewalt als Ursprung für das Patriarchat darstellt. Auch wir bezweifeln das, obwohl es bestimmt ein Faktor unter vielen ist. Courtney Baker erklärte mir einmal in einem Gespräch, daß es selbst in Familien, die die besten Voraussetzungen besitzen ihre Kinder vor Erstarrung zu schützen, Panzerungen an Kindern auftreten und ich persönliche vermute auch das entsprechende Sozialverhalten.

Desweiteren ist es mit Sicherheit richtig, daß die Sahara nicht immer eine Wüste war. Auch das läßt sich nachweisen, aber auch hier läßt er die Kontinentenwanderung in Bezug auf ihre äquatoriale Lage außer Acht. Der Kontinent Afrika lag wahrscheinlich vor 400 Millionen Jahren im Bereich des Südpols und wanderte dann nach Norden. Den Bereich des Äquators erreichte die Region der heutigen Sahara etwa vor 100 Millionen Jahren. Dort begann ihre Blütezeit, aus der auch die gefundenen Fossilien, einer üppigen grünen Epoche stammen. Während die Äquatorregion regenreich ist, sind der nördliche und südliche Wendekreis des Äquators regenarm und alle Wüsten liegen in diesen Regionen. Die Verwüstung der Sahararegion begann mit ihrem Eintritt in den nördlichen Wendekreis. Damit erhält die DOR-Problematik eine andere Dimension. Es bedeutet, daß es Regionen gibt, die natürlicherweise DORanfälliger sind als andere. Ein anscheinend grundlegendes Problem des äquatorialen nördlichen und südlichen Wendekreises, dieser, unserer Welt. Diese Auffassung würde seiner These eines unnatürlichen Ursprungs der Wüsten und ihrer generellen Umkehrung erschüttern. Es würde nämlich bedeuten, daß Wüsten nicht so einfach generell in ökologische Paradiese rückverwandelt werden könnten - auch nicht mit seiner Hilfe.

Auf jeden Fall lud er uns ein, ihm bei einer seiner CB-Unternehmungen am Coloradoriver, der Grenze zwischen Arizona und Kalifornien, zu assistieren und dies auch zu filmen.

Das Video über 55 Minuten war zunächst als Promoband für seine Cloudbustingarbeit gedacht, als wir uns selber noch als ein Teil dieser Arbeit verstanden und als es noch nicht das WWC Projekt (World Wide Cloudbusting) des IOO gab. Es wurde in der letzten Fassung von uns 1990 in Berlin fertiggestellt und erfüllte auch diesen Zweck bis 1993. Aber unser Vertrauen in diesen Mann wurde immer mehr erschüttert und seine Rolle in der Orgonomie für uns immer fragwürdiger. Zu einem Treffen im "Weißen Haus" in NRW, wo 3 regionale Gruppen des Cloudbusterprojektes mit ihm tagen wollten, erschien er nicht. Stattdessen flanierte er in dieser Zeit "unter den Linden" am Berliner Brandenburger Tor und traf sich lieber mit Personen, die später den Orgonbegriff physikalisch im Namen Reichs abzuschaffen versuchten. Er stand namentlich auf einer Anwesenheitsliste, als Gast einer Sitzung in der man vortrug in Untersuchungen kein physikalisches Indiz für die Orgonenergie gefunden zu haben, obwohl er später behauptete, davon nichts gewußt haben zu wollen. Erst als die Abschaffung der Orgonenergie immer breiter publiziert wurde, sah er sich zu einer Stellungnahme gezwungen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Trotzdem wurde er in Berlin immer unerwünschter, Kritiken häuften sich und so wurde die Cloudbustinggruppe geschlossen, die er ebenfalls nicht bereit war in einer Weise zu verteidigen, daß sie hätte bestehen bleiben können, obwohl es ein leichtes gewesen wäre. Dies war die Voraussetzung , sich mit den einflussreichen Kräften wieder verständigen zu können, die von der physikalischen Orgonenergie und der Sexualökonomie weg wollten. Sie ausführlicher darzustellen hat er inzwischen schon auf seiner Homepage angekündigt. Auf seinen Wunsch hin gaben wir ihm beim letzten Zusammentreffen Pläne zum Bau für Orgonakkumulatoren, mit denen seine Freundin versuchte in USA unser Gerät nachzubauen.


Wir hatten uns bereits 1993 von der Berliner Cloudbustinggruppe abgesetzt, die immer mehr in Politik der reichianischen Bourgeoisie versackte (Politik statt Arbeit) und übernahmen defakto das Projekt selber in die Hand. So spielte es für uns keine Rolle mehr, daß das deutsch/schweiz/österreichische Cloudbustingprojekt unter Leitung dieses Mannes ruiniert und aufgelöst wurde.

Die Cloudbustingarbeit in Blythe begann am Abend des 8. Mai und dauerte 48 Stunden. Während dieser ganzen Zeit war der Cloudbuster in Betrieb. Das Verbinden des äquatorialen mit dem galaktischen Strom gelang, die Temperaturen sanken, das Dor verschwand, nachdem der CB es einen Tag zuvor extrem verstärkt hatte. Wind kam auf, der Himmel wurde klar und schöne Cumuluswolken bildeten sich. Der Wetterbericht meldete jedoch das eine Kaltfront vom Pazifik anzog. Schwer zu beurteilen, ob die im Zusammenhang mit dem Cloudbusting standen oder im nachhinein diese Aktion günstig beeinflusste. Später gestand er uns, daß alle anderen CB- Arbeiten im selben Jahr nicht so erfolgreich waren wie diese. Ich glaube, daß er damals ganz glücklich mit der Situation und mit uns war, ebenso wie wir mit ihm. Besonders die Teamarbeit klappte sehr gut und die emotionale Atmosphäre stimmte.

Der Kontakt zu Richard Blasband (3) wurde uns über einen Orgonomen vermittelt. Wir trafen uns in einem Restaurant außerhalb von San Francisco. Blasband wollte uns wohl erst einmal beschnüffeln. Nachdem Blasband und der andere ausgiebig über Chuck Kelly gesprochen hatten, der wohl durch unsere Reise wieder einmal zum aktuellen Thema wurde und uns Blasband ausgiebig gemustert hatte, konnte das Interview stattfinden.

Wir fuhren dazu zu Blasbands Anwesen, einem schönen Haus, daß ganz in der Nähe lag. Blasband war 30 Jahre lang Gefolgsmann von Elsworth F. Baker und noch damaliger Direktor des American College of Orgonomie. Er gab uns ein distinguiertes konventionelles Interview über seine Verbindung zu Reich, der Arbeit des ACO und der Orgonomie. Nach diesem Interview trennten wir uns und sahen uns nie wieder.

Ganz anders war das Treffen mit Michael Smith (5) und Al Baumann.(4). Michael begründete die Skanschule. Im allgemeinen wird Skan hier in Deutschland als eine Therapie in Verbindung mit Wilhelm Reich verstanden. Vielleicht ist es auch das, was daraus geworden ist. Skan ist aber nach allem was uns Michael darüber erzählte etwas ganz anderes. Es ist eigentlich ein Verständnis jenseits von Therapie oder Esotherik. Skan ist die Philosophie der grundlegenden Existenz in Verbindung mit ihren Ausdrucksformen und im Skanverständnis sollten sich die ausgeführten Aktionen innerhalb dieser Grundlage widerspiegeln. Dieses Skanverständnis beschreibt eher eine Lebensphilosophie, in der Therapie eingebaut - oder hilfreich sein kann.

Michael träumte früher, wie wir, von einem gemeinschaftlichen Prozeß, in dem die Erkenntnisse Reichs ihren sozialen Ausdruck finden. Soweit ich das jedoch mitbekommen habe, lebten da 2 Familien verschiedenen Alters zusammen, die ihr Leben sozial durch Kurse und Therapie finanzierten.

Von physikalischer Orgonomie hatten sie eigentlich gar keine Ahnung. Sie hatten Schwierigkeiten einen Shooter zu konstruieren, weil ihnen das nötige Wissen dazu fehlte. Das Grundstück auf dem sie lebten war ziemlich groß und Michael machte mit uns einen Rundgang. Sie hielten Tiere und hatten ein großes Zelt zum Theaterspielen. Die Besitzer des Grundstücks waren nicht sie, sondern eine große Organisation, die mehrere Plätze für Massenveranstaltungen besaß. Sie hatte auch das große Kuppelzelt zurückgelassen, das die Gruppe gut gebrauchen konnte. Die Farm hatte eine turbulente Vergangenheit. Früher war es einmal ein Bordell für das nahe gelegene Santa Fe . Deshalb waren einige Räume sehr klein und die Gruppe wollte sie vergrößern. Sie hatten auch neue Bauten errichtet. In den 60ern dann lebte eine Hippiekommune hier.. Ein damaliges Mitglied war heute noch Hausmeister auf der Farm und hatte schon viele Gruppen kommen und gehen sehen.

2 Jahre später 1991 verstarb Michael tragischerweise an Leberversagen. Er hinterließ eine junge Frau und 2 kleine Kinder.

Philosopisch gesehen hat mich Michael sehr beeindruckt. Wovon er sprach war eine tiefe Naturwahrheit, die über das normale Lebensverständnis weit hinaus ging und ihre Wurzeln in der Indianertradition hatte. Ob es richtig ist dies als Reichsche Therapie zu bezeichnen ist eine andere Frage.

Al Baumann war erheblich älter als Michael und ein echter Freak in betagten Jahren. Auf dem Hof ihrer Farm hatte er einen roten Sportflitzer unter einer Plane stehen, obwohl man fast einen Geländewagen brauchte um auf diese Farm zu kommen. Er hatte Reich das Klavierspielen beigebracht. Der hatte ihn an Simion Tropp zur Therapie vermittelt, als bei Al das Interesse dafür aufkam. Er erzählte von Simion, der wohl auch ein ganz schöner Freak gewesen sein muß. So führte er X-Ray Untersuchungen durch und kommentierte sie, ohne daß die Maschine überhaupt angeschlossen war.

Ilse Ollendorf erzählte mir später, daß Simeon sehr an Experimenten mit LSD interessiert war, was ich persönlich gut verstehen kann. Er wollte unbedingt herausfinden, was sich im Leib seiner Mutter während der Schwangerschaft ereignete.

Al war Musiker und Schauspieler und Mitbegründer der Synanonbewegung, einer Drogenreleaseorganisation, die auch einen Zweig hier in Deutschland hat. Al war zweifelsohne kein Orgonom sondern eindeutig ein Lebenskünstler. Al mochte uns und wir ihn ebenfalls.

New Mexico war ziemlich trocken und verbrannt. Akansas hingegen war grün und es erinnerte mich sofort an unser Zuhause in Europa. Grüne dichtstehende Bäume bilden eine typische Art von saftiger Energetik, was einen zu einem tiefen Durchatmen animiert. Man merkt schon an der Beschreibung, daß wir uns etwas ausgetrocknet fühlten.

In Akansas lebte Robert McCullough (6). Auch er gehört zu den interviewten Personen die heute, 1996 nicht mehr leben. McCullough lebte mit seiner Frau in einem Wohnmobil in einem Wohnmobilpark. McCullough hatte kein Telefon. So konnten wir unseren Besuch nicht anmelden. Eine Polizeistreife geleitete uns mit ihrem Auto zu seinem Haus, weil wir es einfach nicht fanden. Da stand er vor mir -McCullough, der Mann den ich jung und mit wehendem Haar in der Bildergalerie von Reichs Buch "contact with space" sah, jetzt jedoch alt. Mit Orgonomie hatte er schon lange nichts mehr zu tun. Wie bei vielen war es auch bei ihm ein Lebenskapitel aus einer anderen Zeit. Wie er uns erzählte, hatte er danach lange Zeit für die Armee gearbeitet und er würde wissen, was das für Bastarde wären. Wie bei vielen die wir interviewten, so sah ich auch bei ihm in seinem Gesicht das geistige Eintauchen in die Vergangenheit mit ihren Erlebnissen und Eindrücken. Wir erklärten McCullough, wie wichtig wir es erachten würde, Zeitzeugen der 4oer und 50er Jahre zu interviewen und führte Jerome Eden an, der wenige Monate vorher gestorben war. Aber das hätten wir besser nicht tun sollen.

Als McCullough das hörte, sagte er mit erhobener Stimme: "Ich bin froh, daß dieser Mann tot ist - der hat mir 2 Mal das FBI auf den Hals gehetzt. "Wir alle waren sprachlos und schockiert. Es wurde offensichtlich das sich diese beiden Cloudbustercracks nicht mochten. Wie alles hat auch das seine Geschichte, die soll sich folgendermaßen zugetragen haben: Eden mochte Trevor Constable nicht. Constable, ein Cloudbuster-worker arbeitete nach Reichs Tod mit McCullough zusammen. Constable war Rudolf Steiner Anhänger und vertrat die Theorie der 4 Äther. Für konservative Orgonomen übelste Mystik. Was jedoch Eden auf Constable so sauer machte, war der Glaube an Constables mystischen Sadismus, eine strukturelle Charaktereigenschaft aller Mystiker. So benutzte Constable einmal den Begriff "die Orgonenergie an die EIER zu packen" (" Take the orgone by the balls and it will talk. Any other approach and it laughs at you"),- was meint: ihr ein Verhalten aufzuzwingen. Eden verabscheute das zutiefst und machte daraus auch keinen Hehl, daß er Constable für einen mystischen Sadisten hielt, wodurch sich Constable sicher beleidigt und gedemütigt fühlte. Eines Tages soll nun bei McCullough Joel Carlinski erschienen sein. Carlinski verlangt Informationen und gibt Informationen. Gibt man sie ihm nicht freiwillig, so kann es einem passieren, daß er einbricht und sie stiehlt. So geschehen im Wilhelm Reich Museum, Blasbands Labor, in der Boston Bibliothek in der Reichs Originalschriften lagern,- die Liste ließe sich fortsetzen. Bekannt wurde Carlinski hier in Deutschland durch die Carlinski -Fortsetzungskontroverse. Wer kennt die nicht (gähn).

So erschien Carlinski eines Tages bei McCullough und stellte sich als Reporter vor und verlangte irgendwelche Information. Als McCullough die ihm nicht gab, brach er dort ein, stahl Material und bot es hinterher Jerome Eden an, der es jedoch nicht haben wollte. Trevor Constable redete nun McCullough ein, Eden habe Carlinski zu diesem Diebstahl beauftragt. Darauf wandte sich McCullough empört schriftlich an Eden und der schickte ihm als Constables Freund das FBI auf den Hals. Und das gleich 2 Mal. Das empfand McCullough verständlicher Weise als unerträglich. Wie die Sache ihren Ausgang nahm, weiß ich nicht. Auch nicht was das FBI von Bob wollte. - Aber so soll sich das Ganze zugetragen haben.

Bei dem späteren Besuch bei Eva Reich erzählte Eva von der Zusammenarbeit von McCullough und Constable. McCullough war Biologe und die beiden hatten etwas Wichtiges im Bereich der Chemie herausgefunden und darüber gearbeitet. Ich machte mir damals keine Notizen und habe es leider dummerweise vergessen - aber Eva weiß es. Ich glaube es war was sehr Interessantes, wovon ich zuvor niemals gehört hatte. Constable galt in der Orgonomie als ziemlich unmöglich. Es gab wohl ein Video, das Constable beim Cloudbusting auf einem Schiff zeigte. Ein Österreicher der beim ACO in Princeton studierte erzählte mir davon, schob aber gleich ein, daß er es sich nicht ansehen wollte.

Wir führten also unser Vorgespräch mit Bob und bis wir ihn von unserer Mission überzeugt hatten, war es bereits dunkel. Unsere teuere Kamera war nicht darauf eingerichtet in eine Situation zu geraten in der man nicht genügend Licht haben könnte und so versuchten wir die Kamera "aus dem roten Bereich " heraus zu manövrieren. Wir schafften damit eine interessante Kulisse wo in dieser Dunkelheit Bob McCullough zu sehen ist.

McCullough erzählte von der Ufoatacke in Arizona, als er und Reich dort mit dem Cloudbuster arbeiteten. Mit einer zweiten Kamera versuchte ich ein paar weitere "Atmos" einzufangen. Auf denen konnte man Bob humpeln sehen. Courtney, der mich auf Bobs Bein ansprach, erzählte, daß dies vom Cloudbusting in Arizona herrührte. Wenn ich mich recht erinnere durch den damaligen Ufoangriff. Arizona war dann auch für Bob die Endstation.

Wir hatten einen kleinen LCD-Monitor mit uns und auf dem zeigten wir Bob die Aufnahmen, die wir in Blythe gedreht hatten. Bob sah stumm aber interessiert zu, sagte aber nichts. Die Orgonomie war für ihn seit über 3o Jahren Vergangenheit. Die Begegnung der Generationen war wohl mehr ein Wunschtraum von mir und hatte nur dort ihre Realität. Zum Schluss vermachte uns Bob seine originalen Journale aus Reichs Zeit, die damals in Costa Rica lagerten. Er wollte das in seinem Testament aufnehmen. Ob er das gemacht hat, haben wir nie erfahren, aber wahrscheinlich hat er es gleich vergessen nach dem wir abgefahren waren.

So spontan wie wir aus dem Nichts aufgetaucht waren, verschwanden wir auch wieder im Dunkeln der Nacht und aus Bobs Leben und seinen Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Bob lebt heute nicht mehr. Doch sein Video wird (hoffentlich) als Digitalinformation von vielen in Zukunft gesehen werden können. Das Transkript dazu wird im Original in PORE einsehbar sein.

Wir waren bereits schon auf dem Weg nach Florida auf den Spuren von Bob Morris (7) .

Während der Arbeit an diesem Bericht erfuhren wir die traurige Nachricht von seinem Tod. Er starb am 25.11.1996. Diese Nachricht machte uns sehr betroffen. Wir mochten Bob sehr und denken gerne an die 3 Tage zurück, die wir im sonnigen Miami mit ihm verbringen durften. Er war besonders einfühlsam und wird in der Orgonomie eine große Lücke für all diejenigen hinterlassen, die ihn gut kannten und mit seiner Arbeit verbunden waren.

Bob selbst verstand sich eher als Antitherapeut, wie er es nannte. Er war kein M.D.. Jedoch war er so gut, daß selbst Therapeuten der Orgonomie ihn trotz dieses "Makels " empfahlen. Bob war in Therapie bei Elsworth Baker und er sagte uns im Interview, daß bereits in den ersten Stunden soviel Schmerz herausfloß, wie Jahre nicht zuvor "Out-, like a railroadexpress". Bob, der uns in einem Jachtclub empfing, schien es kaum Glauben zu wollen, daß jemand nach Miami kommt um ihn zu interviewen. Wir konnten nicht glauben, daß das der Grund sein sollte uns dieses Interview zu verweigern, schließlich waren wir ja deshalb nach Miami gekommen und nicht um dort nach Don Johnson zu suchen. Ich konnte es immer noch nicht glauben, selbst als seine Tochter ihm zuredete uns das Interview zu geben. Das durfte doch wohl nicht wahr. Der schien ernsthaft darüber nachzudenken ob er es uns gibt oder nicht! Das Interview gehörte mit zu den umfangreichsten der ganzen Tour. 3 Tage nahmen wir uns Zeit dafür. Bob zeigte sich besonders von unseren sozialen orgonomischen Interessen sehr beeindruckt, die im konservativen orgonomischen Rahmen keine Rolle spielen. Er forderte uns auf, etwas dazu zuschreiben. Ich für meinen Teil werde das auch noch tun.

Mit Bob sprachen wir auch viel über Therapie und er meinte, John sollte jetzt endlich mal nach seiner umfangreichen sozialen Erfahrung damit anfangen, selber Therapie zu geben. Bob selbst war Beobachter des "Pecam-Experiments " in England der 40er Jahre. Das einmalig durchgeführte Experiment versuchte die sozialen Funktionen der Gesundheit in der Gesellschaft zu untersuchen. Einer Gruppe von Familien wurde alles zur Verfügung gestellt, was sie zur ihrer Bedürfnisbefriedigung benötigte. Als Ergebnis eines sozial unbehinderten Lebens verschob sich der gesellschaftliche Schwerpunkt zu Gunsten der Mütter und Kinder, also zu einer matriachaische Gesellschaftsform. Bob sah darin eine Verifizierung Reich`s Forschungen auf der Grundlage der Sexualökonomie. Möglicherweise hätten solche Experimente der Beginn einer Gesellschaftsumorganisierung sein können, so wie sie sich Ende der 6oer Jahre anbahnte und somit eine Neurosenprophylaxe auf der Basis des sexualökonomischen gesunden Empfindens.

Bobs weitere Versuche diese Experimente später in den USA durchzuführen blieben bis zum damaligen Zeitpunkt (1989) erfolglos. Daran wird sich auch bis heute wahrscheinlich nichts geändert haben. Bob verkaufte uns seine NTSC-Kamera und das war für uns der Anfang per Video mit der USA kompertibel zu werden.. Inzwischen haben wir den Weltkonverter "Panasonic NV-W1 " mit dem jegliche Normveränderung möglich ist und mit dem unsere Videobänder weltweit zu sehen sind. Inzwischen geben wir auch Bänder in den USA heraus.- Hoffentlich auch bald in Japan. Zum Abschluss erzählte uns Bob, daß wir wohl glauben würden, daß er aus Statusgründen Mitglied eines Jachtclubs wäre, doch dies sei die einzige Methode in Miami segeln zu können, deshalb. So verabschiedeten wir uns dort wo wir ihn das erste Mal getroffen hatten, im Jachtclub. Mit einem Abstecher bei der NASA fuhren wir wieder in Richtung Ostküste.

Von Maryland aus riefen wir Chester M. Raphael und Lois Wyvell an. Beide waren sehr unerfreuliche Anrufe. Lois Wyvell zeigte sich sehr abweisend und absolut desinteressiert. Sie sagte, sie hätte alles in ihrem Buch niedergeschrieben und hätte weiter nichts zu sagen. Dann wollte sie, daß der Hörer eingehängt wird. Das restliche Gespräch drehte sich nur noch um diese Belange und artete zum Schluß in Beschimpfungen ihrerseits aus.

Mit Raphael war es noch arger. Ihm schickten wir aus Berlin zwei Benachrichtigungen mit der Darstellung unseres Projektes. Eine nach Forest Hills, New York seinem Wohnort, die andere an ihn adressiert ans Wilhelm Reich Museum Rangeley. Desweiteren hatten wir ja auch Miss Higgins geschrieben. Der Brieflaut war immer der selbe. Im Telefonat nun behauptete er , beide nicht bekommen zu haben, was ich persönlich nicht glauben kann. Dann behauptete er, wir wären Personen die nur nehmen aber nichts geben wollte - eine völlig unbegründete Behauptung, die anscheinend bei allen angewandt wird, die Raphael mit ihren Kontaktwünschen kein Geld bringen. 1981 hatten wir dem Wilhelm Reich Museum die Summe von 10% von jedem verkauften Orak angeboten, gemäß der Vorstellungen Reichs, der Orgonakkumulatorverkauf sollte die Orgonomie finanzieren. Ein außerordentlich großzügiges Angebot, wie ich es heute auch noch empfinde. Das Wilhelm Reich Museum hätte damit heute weit über 2o.ooo,- DM verdient - aber die habens jawohl nicht nötig, obwohl sie immer jammern. Mit unserer Arbeit haben wir nachweislich orgonomische Projekte gesponsert.

Raphaels Vorwurf war nicht nur sachlich falsch, sondern auch bösartig uns gegenüber. Wer sich auf die Rolle des Nichtgebers und Nörglers versteift hatte, war Raphael selbst. Da wir unsere Tour besonders dem Reich Museum wie auch Raphael bekannt gemacht hatten, hätte eine schriftlich Ablehnung völlig ausgereicht, anstatt Frustration am Telefon an uns auszuleben. Da wir weitere Briefkopien an Personen mit uns führten die uns keine Antwort geschrieben hatten, schlugen wir Raphael vor, ihm noch in der selben Nacht einen Brief in seinen Briefkasten zu stecken. Raphael war damit einverstanden und so fuhren wir nach New York City, warfen unseren Brief ein und fuhren dann wieder 80 km aus der Stadt um auf einem Park & Rydeplatz zu schlafen, um am nächsten Tag die Antwort entgegen zunehmen. Hotels waren zu teuer und das ganze Auto war voll teurer Technik.

Als wir dann wieder bei Raphael anklingelten, sagte er nun: jetzt, nachdem er unseren Brief gelesen hatte, wäre er ganz sicher, daß wir nur nehmen aber nicht geben wollten. Uns treffen, um uns besser kennen zu lernen, wollte er auch nicht. Statt dessen wollte er wissen, was wir von Myron Sharaf und dessen Buch halten würden, ebenso wie dem vom Wilhelm Reich Museum herausgegebenen Buch "Leidenschaft der Jugend". Es sollte wohl die alternative zu Myrons Buch sein. "Jedenfalls könnte man es so sehen, meinte er."

Wyvell und Raphael waren aber die absoluten Tiefpunkte unserer Interviewerwartungen. So sind die Leute eben in New York - einen Zacken härter. Im Nachhinein finde ich es immer noch schade, daß es für uns nicht möglich war zwei so wichtige historische Persönlichkeiten interviewen zu können. Aber die Welt wird es wie wir überleben.

Unsere Reise ging zunächst weiter ins benachbarte Boston zu Myron Sharaf (8). Der war schon einmal vorher in Berlin gewesen. Wir hatten ihn bereits in einem Vortrag in Berlin "Biographisches über Wilhelm Reich " aufgenommen. Myron lernte Reich über die Empfehlung seiner Mutter kennen. Die meinte, daß er Reich unbedingt kennen lernen müßte. Also ging er hin. Bei unserem Besuch war er zwar sehr freundlich und höflich, aber nicht sonderlich an einem Interview interessiert. Außerdem hatte er selber Jahre zuvor Interviews geführt und alles stand in seinem eben herausgekommenen Buch "Fury on Earth". Und vom Fernsehen waren wir auch nicht. Im Interview sagte er, daß er nie verstanden hatte, was Reich eigentlich immer gegen die Politik gehabt hätte. Politik war für Myron nur eine andere Art der Arbeitsdemokratie (oder die Arbeitsdemokratie eine andere Form der Politik? ). Myron suchte einige Adressen für uns heraus. U.a. die von John Duggon, einem Therapeuten, der in Verbindung mit Victor Soby stand. Myron hatte nicht sehr viel Lust zum Reden, da er irgendwas anderes vorhatte und einen weiteren Termin, den wir ausmachten, sagte er auch später ab. Trotzdem hat sein Interview eine Länge von ca. 11/2 Stunden, eine Zeit die für unsere Standardinterviews normal war.

Inzwischen lebten wir auf den Parkplätzen New Yorks. Wir mußten Geld sparen, weil die Tour noch lang war. Ein Park `n Ryde - Platz hatte es uns besonders angetan. Er lag nur etwa 60 km vor der Stadt und wurde von der Polizei eigentlich nicht kontrolliert. Auf Raststätten zu schlafen war verboten und selbst in New York City durfte man höchstens nur 2 Stunden auf einem Rastplatz stehen. Unser Lieblingsplatz war ein schmaler Streifen und war direkt auf einem Freeway. Er hatte eine Toilette und einen Waschraum. Dieser Platz war der Ausgangspunkt vieler Unternehmungen sowie internen Streitereien, besonders um die Idahofahrt,- von der Ostküste nochmals quer durch die USA. Die Entscheidung für den Trip nach Idaho stand aber irgendwann an, aber soweit war es noch nicht. Jetzt hatten wir erst einmal 4 Tage nichts zu tun und es war ein unerträgliches Gefühl nichtstuend 4 Tage auf einem Parkplatz zu sitzen. Wir entschlossen uns also Neil Snyder (9) zu besuchen. Chuck hatte ihn uns zusammen mit Barbara Coopman ans Herz gelegt. Er schien uns aber eher unbedeutend und so war er nur ein Name auf unserer Liste. Doch jetzt bot es sich an ihn aufzusuchen und ich muß im Nachhinein sagen, daß das eine unserer besten Ideen war.

Neil wohnte in Westvirginia und wir brauchten keinen ganzen Tag um ihn zu erreichen. Er war noch jung, ein wenig älter als wir. Neil war ein Feund von Chuck, hatte sich aber noch zu Chucks Zeiten von Radix gelöst. Eine Wand in seinem Therapiezimmer, in dem wir schliefen war vollgepflastert mit Diplomen. Er hatte eine Studie über die Wirkungen des Orgonakkumulators auf die Fingertemperatur geschrieben, die in der Nummer 1 der "Lebensenergie" (Herausgeber-Zentrum für Orgonomie, Waldbrunn) veröffentlicht ist. Bei Begutachtung seines Akkus sahen wir die typischen Fehler, die vor allem in Amerika zu finden waren, dem Land, das es geschafft hatte, die Orgonomie radikal zu unterdrücken. So war sein Akku beispielsweise aus Holz gebaut und nicht optimal konstruiert. Aber er wirkte. Konstruktionsfehler wies auch Blasbands Akku auf. Blasband meinte, der Konstrukteur, dem Blasband den Auftrag gab, hatte da einiges nicht richtig verstanden. Die Fehler waren auch unerheblich. Uns als langjährige Akkukonstrukteure fiel so etwas natürlich sofort ins Auge. Schließlich waren unsere Orgonakkumulatoren so gut konstruiert, daß sie inzwischen selbst in Amerika nachgebaut werden. Die einzigen Originalakkumulatoren die wir sahen, waren bei Al Lowen und Chuck Kelley. Al hatte noch einen mit einem Stahlgitternetz als Innenraum. Er sagte, seine Frau würde ihn gerne benutzen. Chucks Akku war noch ein New Yorker Orgonakkumulator aus Reichs 40er Jahren. Natürlich stand auch einer im Wilhelm Reich Museum. Kurzum, Neils Orak wirkte und seine Studie wies den Einfluß des Oraks auf die Fingertemperatur nach. In Neils Haus wich der ganze Streß von der vorherigen Zeit von uns. Wir waren jetzt annähernd 6 Wochen in den USA und hatten außer bei den Kelleys keine Pause gehabt. Wir schliefen zu dritt in unserem Bus. Jetzt hatten wir einen eigenen Schlafraum und unserer Leben war in Neils Wohnbereich integriert. Wir konnten uns dort frei bewegen und fühlten uns sehr wohl. Neil war sehr nett zu uns und wir fühlten uns überhaupt nicht als Besucher.

Die Freundin eines deutschen Orgonomen war dort ebenfalls zu Besuch und als der dann auch noch anrief, schloß sich der Intimkreis. Mit Neil machten wir ein Interview und führten viele Gespräche. Neil besuchte uns später in Berlin und genoß es in unserem Videoarchiv rumschnüffeln zu können. Er hat mich persönlich wirklich sehr beeindruckt. Er war für mich ein gutes Beispiel, daß Neoreichianer die "netteren Menschen" sein können und ein persönliches Argument gegen meine Arroganz Neoreichianern gegenüber. Am Ende der Tour fuhren wir unseren Van zu ihm und stellten ihn dort für unseren nächsten geplanten USA-Aufenthalt ab.

In Gesprächen mit Neil trat eine neue Komponente in den Vordergrund, die der Ausgrenzung. Obwohl Blasband uns in seinem Interview sagte, daß Neoreichianer deshalb welche wären, weil ihnen der tiefere Sinn für die Orgonomie fehlen würde, so bedeutet das nicht, daß es keine Ausgrenzungen von Seiten der Orgonomie gegeben hat. Ausgrenzung in der Orgonomie als solche wäre ein Thema für sich und ich will hier nicht näher darauf eingehen. Aber ich konnte auch in Deutschland der 70er beobachten, wie selbst Ärzte, die vom ACO lernen wollten, abgewiesen wurden. Natürlich füllte diese Lücke später der Neoreichianismus. Das ist ein klares Versagen der Orgonomie und Ärzte wie Dr. Hoppe in Deutschland waren klug genug um diese Gruppierungen einen Bogen zu machen. Wahrscheinlich war Al Lowen Opfer einer solchen Ausgrenzung , ebenso John Pierrakos und wahrscheinlich auch Chuck Kelley. Das Thema "historische Ausgrenzung " möchte ich hier nur anschneiden. Tatsächlich fehlen mir die nötigen Fakten zu einer wirklichen Beurteilung und ich möchte hier nur anmerken, daß der Neoreichianismus zum einen in dieser Tatsache auch seine Wurzeln bezüglich einer großen Verbreitung hat.

Ein typisches Beispiel dafür in jüngster Zeit war Neil und wir als seine Gäste wurden es auch temporär in den USA. Schon direkt nach der Ankunft bei unserem Cloudbusteroperateur konnte sich dieser über Chuck nicht beruhigen, als er unseren Bericht hörte, obwohl er mit ihm eigentlich gar nichts zu tun hatte. Auch auf Neil hatte er es abgesehen. Auf einer Stadtrundfahrt in San Francisco wetterte er über Neil, der ja irgendwie etwas mit Chuck zu tun hatte. Wahrscheinlich hatten wir ihm gesagt, daß Chuck uns empfohlen hatte Neil zu besuchen. Neil hatte vom ACO das Angebot erhalten im "Journal" seine Studie über die Wirkungen des Orgonakkumulators auf die Fingertemperatur zu veröffentlichen. Sehr großzügig, wie unser Freund anmerkte. Aber er hatte sich wohl nicht genügend dankbar dafür erwiesen. Als die Atmosphäre in Westvirginia verDORt wurde, versuchte Neil diesen Notstand zu mildern, indem er einige Metallröhren in ein mit Wasser gefülltes Faß steckte. Personen des ACO sollen darauf sehr sauer reagiert haben aber Neil ließ sich von ihnen nicht einschüchtern. Das brachte Neil einen Platz auf deren schwarzer Liste für schwarze Schafe in der Orgonomie ein. Nun begingen wir in typischer Weise einen ähnlichen Fehler. Blasband erwähnte bei seinem Interview, daß er sich persönlich dafür einsetzen würde, daß wir auch andere Personen vom ACO interviewen könnten. Bezüglich dessen riefen wir eine Nummer von Neils Haus aus an. Ich bin mir nicht mehr sicher ob es John Schleining war der mit uns sprach oder der andere der beiden Personen, des ACO, die neben Blasband sich mit Cloudbusting beschäftigten. Jedenfalls wollte der wissen, wo wir seine Nummer her hätten und wir sagten, daß wir jetzt bei Neil wären und er sie uns gegeben hätte. Das hätten wir besser nicht tun sollen, denn jetzt wurde es uns zum Vorwurf gemacht die Nummer von Neil bekommen zu haben. Doch man gab uns nochmals eine Chance. Der Zusammenhang mit Neil machte eine weitere Überlegung notwendig, ob wir für ein Treffen akzeptabel wären. Wir sollten dann noch mal später anrufen. Man müsse sich erst beraten. Wieder in New York taten wir das auch und erhielten dann endgültig eine Absage. Würden Sie glauben, daß wir Interesse hätten uns mit solchen Leuten noch einmal zusammenzusetzen???

Aber auch anderen Leuten ist in solchen Zusammenhängen ähnliches widerfahren. Hingegen zeigten sich Personen wie Ckuck Kelley als äußerst souverän und gutmütig. Gut erholt ging es wieder zurück an die Ostküste, diesmal jedoch nach Philadelphia, der Stadt in der 3 Orgontherapeuten in einer Straße wohnen: Oller, Herskowitz (10) und Schwarzman. Schwarzman kannten wir damals noch nicht Oller, mit dem wir telefonierten, ging gerade ins Krankenhaus. Auch nach diesem Aufenthalt fühlte er sich nicht gut genug uns ein Interview zu geben. Kurze Zeit später verstarb er. Oller und Herskowitz hatten über 30 Jahre keinen Kontakt. Sie führten damals wieder ihr erstes Telefonat. Die drei hatten ihr Domizil in der Pinestreet, einer guten Gegend in der Innenstadt von Philadelphia, die aber die Grenze zu den Slums bildete, die bis zur Pinestreet vorgedrungen waren. Eine Straße weiter nach Süden wird das schon sichtbar.

Doch zunächst fuhren wir nach Ambler, wo Courtney Baker (11) sein Haus hatte. Courtney empfing uns dort mit Patricia Burlingame, einer Biologin die ebenfalls Mitarbeiterin des "Instituts of Orgonomic Science " war. Ich mochte die beiden auf Anhieb. Beate und ich trafen Courtney später in Deutschland auf einem Seminar für Orgonomie wieder, an dem er, so wie wir selbst mitwirkten und besuchten ihn ein weiteres Mal auf unserer 2. Amerikareise in seinem Haus erneut.

Auch er stellte uns viele Fragen und hörte aufmerksam zu, was wir sagten. Er antwortete dann jedes mal mit einem für ihn sehr typischen "o.k." und als er wohl wußte was er von uns zuhalten hatte, waren wir akzeptiert. Wir führten ein kurzes Interview, in dem er die Arbeit des Instituts darstellte und machte es uns vertraglich zur Aufgabe dies nur Studenten der Orgonomie zugänglich zu machen. Über seinen Vater Elsworth Baker wollte er uns nichts erzählen. Über seines Vaters Beziehung zu Reich könnten wir im ACO-Journal nachlesen. Sein Vater hatte dort eine Fortsetzungsserie über seine Beziehung zu Reich gewidmet. Ich glaube sie hieß "My eleven years with Reich"

Courtney war früher Therapieausbilder des ACO gewesen. Die Philadelphiagruppe löste sich in den 80ger Jahren vom ACO und gründete das "Institut für Orgonomic Science ", daß das Journal die "ANNALS "herausgibt. Courtney ist Physiker, Arzt und Orgontherapeut. Er hat ein typisches Lausbubengesicht. Er empfahl uns Morton Herskowitz als besonders freundlichen Menschen. Später wurde Herskowitz Beates und mein therapeutischer Betreuer.

Die Fahrt nach Philadelphia führte durch den Süden, der ärmeren Gegend und ich erinnere mich während der ganzen Fahrt, die über eine halbe Stunde dauerte, keinen einzigen Weißen draußen gesehen zu haben. Die gesamte Gegend war schwarz. In Bruce Springsteens Videoclip "Philadelphia" kann man einen guten Eindruck von dieser Gegend bekommen.

Dr. Herskowitz erzählte über seine Jahre mit Reich. Er interessierte sich für Psychoanalyse hatte aber mit bestimmten Fragen seine Probleme. Ein Freund empfahl ihm "Die sexuelle Revolution " von Wilhelm Reich. Mort hielt Reich für "nuts" (verrückt). Seiner Meinung wußte das jeder, doch sein Freund sagte ihm, "nenne ihn nicht verrückt, wenn du ihn nicht gelesen hast." Also las Mort die sexuelle Revolution und merkte, "das war es". Er las nach und nach alles von Reich und machte schließlich einen Termin mit ihm in Forest Hills aus. Jedoch beschloß er um den Begriff Orgon einen Bogen zu machen. Doch schon die zweite Frage von Reich war, was er denn von dem Orgonkonzept halten würde. Mort sagte ihm, daß das für ihn ein wildes Konzept sei und Reich bot ihm an mit der Zeit über die Laborarbeit seine eigenen Erfahrungen damit zu machen.

Später dann als Reich in Maine wohnte fuhr Mort mit dem Auto immer von Philadelphia nach Rangeley zur Therapie. Einen anderen Therapeuten in New York wollte er nicht nehmen. Damals gab es bereits das Gerücht, Reich sei psychotisch. Mort berichtete das Reich, der ihm daraufhin ein Gewehr an die Schläfe hielt und sagte: "Ich bin psychotisch", aber Mort konnte darüber nur lachen. Für ihn war es sehr lustig, daß der Therapeut ein Gewehr auf seinen Patienten richtet. Reich mußte auch lachen. -Ein anderes Mal erzählte Reich ihm, daß Eisenhower ihn mit Flugzeugen beschützen würde. Als Mort erwiderte, er würde das nicht glauben, Rangeley läge nun einmal an einer Flugroute, meinte Reich, vielleicht wäre es auch nicht so. Mort wertete das als das Verhalten eines Gesunden. Ein Paranoiker hätte seinen Standpunkt entschieden verteidigt. Die Ansicht von Eisenhowers Flugzeugstaffel wurde Reich immer wider als Beweis seines Irrsinns vorgeworfen. Vielleicht lag Reich aber gar nicht so daneben. Er verfügte über Informationen, die das Militär auch besaß und vor der Bevölkerung geheim halten wollte. Schwer zu glauben, daß man Reich nicht observierte. Es war Reichs Optimismus, daß er glaubte Eisenhower müßte ihn verstehen. Warum auch nicht.

Mort ist der letzte von Reichs persönlich ausgebildeten Orgontherapeuten. Er praktiziert immer noch in Philadelphia. Seine Praxis ist immer noch im Stil der 50er Jahre eingerichtet. Morton Herskowitz ist äußerst tolerant und human und weit über den üblichen Standard der Orgonomie herausgewachsen. Obwohl er ein Orgonom ist, ist er genau genommen "kein Orgonom" sondern ein Mensch, der Orgonomie human anwendet. Er ist jenseits solcher Etikettierungen. Das Transkript seines Interviews kann in Pore eingesehen werden und wird auch in absehbarer Zeit hier in den DOS - Seiten in deutscher Sprache erscheinen. Auf seiner Deutschlandreise hielt Morton einen Vortrag über "Psychiatrische Orgontherapie, Reichs Originalmethode der Therapie, die leider hier in Deutschland nahezu unbekannt ist und zu einer der besten Darstellungen gehört, die ich je über dieses Thema gehört habe. Sie ist demnächst ebenso in PORE als auch in DOS als Transkript einsehbar. Der Vortrag "Psychiatrische Orgontherapie" und "Persönliche Erinnerungen an Wilhelm Reich" (München) ist im Original ohne Übersetzung beim Verlag für Orgonomie des IOO als VHS-Video beziehbar. Dr. Herskowitz übertrug uns auch die Genehmigung zur Veröffentlichung der Transkripte in englisch und deutsch. Das Buch von Morton Herskowitz über " Menschliche Panzerung, eine Einführung in die psychiatrische Orgontherapie " wollte kein deutscher Verlag bisher herausgeben - selbst 2001 leider nicht. Viele deutsch übersetzte Kapitel dieses Buches sind in der "Lebensenergie " Band 1-5 zu lesen.

Bevor wir Mort interviewten führten wir mit ihm einen Tag zuvor ein kurzes Vorgespräch und als wir zurückkamen war unser Van aufgebrochen worden. Hätte der Dieb gewußt, daß sich unter unserer Bettplatte mehrere Kameras befanden, deren Gesamtwert über 4o.000,- DM betrug, würde er sich heute noch schwarz ärgern. So ärgerten wir uns über den Verlust eines teuren Walkman und einiger sehr persönlicher Dinge. Der Verlust der kleinen Seitenscheibe, so wie die Autos es auch hier in Deutschland in früheren Zeiten hatten, machte uns arge Probleme. Letztendlich mußten wir eine Sonderanfertigung arbeiten lassen, da das Ersatzteil nicht zubekommen war. Vor allen Dinge bedeutete das für uns, daß wir das Auto nun überhaupt nicht mehr verlassen konnten. So mußte Beate das Auto bewachen, die 2. Schicht übernahm ich. Auf der nächtlichen Weiterfahrt machte dann auch noch die Batterie schlapp. Die Ursache war ein Bedienungsfehler beim Starten, der uns ein zweites Mal im Hudsontunnel in New York in der Rushhour passierte. Ein Alptraum. Automatische Getriebe haben eben ihre Tücken. Hier standen wir wieder in einem Viertel das nicht besonders vertrauenserweckend wirkte, völlig navigationsunfähig und schutzlos. Nach stundenlangem Warten auf den Reparaturservice und einer schwierigen Nacht auf einem Highway-Parkplatz ließen wir unser Fenster reparieren und fuhren wieder in Richtung New York.

Myron hatte uns ja die Adresse von John Duggan (12) gegeben und wir hatten nun einen Termin bei ihm. Beate bewachte das Auto. Wir anderen zwei zogen mit der kleinen Kameraausrüstung los. Für uns als Filmer ist es klar, daß es uns bei diesem, wie auch bei den anderen Interviews um ein Shooting ging. Was für unser Unternehmen zählte, war letztlich daß, was wir auf Tape bannen konnten. Auf einer solchen Tour wie der unseren denkt man in anderen Dimensionen, sozusagen von Shooting zu Shooting. Aber Interviewpersonen, vor allem wenn man sie nicht kennt, denken anders. Sie wollen natürlich erst einmal sprechen und einen kennenlernen. Ich persönlich würde am liebsten sofort nach dem "Hallo" die Kamera starten und mich dann dem hingeben was immer kommt. Denn wenn die Leute warm werden und dann anfangen zu erzählen, ist meist das Beste für die Aufnahme vorbei und man muß steif daß wiederholen, was man bereits vorher spontan von sich gegeben hat. Hier gibt es das Problem der Angleichung der technischen an den psychologischen Aspekt. So geschehen beispielsweise bei Al Baumann oder auch Tom Ross. Bei John Duggon gab es auch das Problem. Immer wieder mußten wir ihm sagen, daß er das auch alles vor der Kamera sagen könnte. Das Ganze kann hier etwas unsensibel klingen, aber das sind die Probleme der Filmer, die nur einen Take haben.

Es war schon lustig mit John. Einerseits war er der Marxist, der nicht wollte das man es ihm anmerkt. Nichts mit Che Guevara-Poster und so. Als wir ihn aufnahmen, wollte er sehr korrekt wirken und kein Kulturlinker sein. Er setzte sich an eine Wand seines Zimmer, die so neutral war, sodaß man später nicht auf seine Wohnung schließen konnte. Er sprach in einer Art, als könnte ihm jemand über die Schulter zuhören und irgendwas mißverstehen.

Es war ein typisches Minderheitenverhalten. Marxisten sind nicht unbedingt populär in den USA. Auf der anderen Seite hielt er Vorträge in der "Marxist School". In der ersten Informationsschrift die wir über die Interviewreise herausgaben stand über John: " Seine Ansichten mögen für amerikanische Verhältnisse links sein. Für uns klang aus seinen Worten jedoch nicht nur die politische Überzeugung als das ernsthafte Interesse für gesellschaftliche Verhältnisse. Die Betroffenheit und den Wunsch Verständnis zu entwickeln für eine orgonomische Sichtweise von Neurosen und sozialen Prozessen haben wir in den USA erstaunlich wenig gefunden." Ähnlich, wie die amerikanischen Orgonomen mehr und mehr zur Charakteranalyse zurückgehen, glaube ich, müßte man mit dem orgonomischen Reich wieder in Richtung seiner Frühschriften gehen. John jedenfalls kreierte nach langem Drängen ein seriöses Inzenario und sprach über Therapie. Er beschrieb einen Fall eines mystischen Bezugs bei einer Patientin. Sein Vortrag war sehr hervorragend, doch nach etwa 45 Minuten klingelte es an Tür - ein Patient kam zur Therapie - aus mit der Aufnahme - so geht das manchmal. Kamera einpacken und raus.

Aber durch John bekamen wir endlich die Adresse von Victor Sobey. Meiner Erinnerung nach war Sobey im ersten Telefonat, was wir mit ihm führten, sehr begeistert und interessiert über alte Zeiten zu sprechen. Reich hätte sich selber noch als "Marxisten" bei seinem letzten Treffen bezeichnet und er würde gerne mit uns reden. Doch die Situation die wir bei unserem Besuch vorfanden, war eine ganz andere. Die Regie führte Dr. Lewis, ein junger Assistenzarzt. Wenn wir Sobey fragten, antwortete Lewis, dabei wollten wir ihn gar nicht interviewen. Sobey hatte eine Stunde Zeit und in der versuchten wir ihn zu überzeugen uns ein Interview zu gewähren. Aber umsonst. Sobey fand unser Unternehmen nicht wichtig. Erzählen konnte er auch nichts, weil Lewis wie ein Schießhund Sobey bewachte. Wenn Lewis sprach mußte Sobey immer lachen. Er amüsierte sich über die Situation - uns war nicht danach zumute und verabredet hatten wir es so auch nicht. Lewis hatte den Marcovicz-Film gesehen und fand ihn katastrophal. So wollten sie auf keinen Fall repräsentiert werden. Alle Beteuerungen, daß wir nicht Meller-Marcovicz seien, half nichts. Letztlich hieß es: "Alles was wir machen wollen, machen wir selber und was wir nicht selber machen ist auch für uns nicht wichtig." Ein krasser Standpunkt, mit dem ich meine Probleme hatte, als ich Sobeys Praxis in Brooklin verließ. Allerdings verstehe ich ihn heute besser und vielleicht komme ich dort auch mal an - jedoch hoffentlich nie!

Niedergeschlagen von dem Mißerfolg erbaten wir wenigstens ein Foto von Victor Sobey machen zu dürfen, was uns auch gewährt wurde. Auch von Dr. Lewis wollten wir ein Foto haben und er stellte sich in eine Pose wie ein Offizier nach einer Schlacht der gleich für die Zeitung in der Heimat abgelichtet wird. Sobey hatte irgendwie das Aussehen von Reich. Er distanzierte sich unbegreiflicher Weise von John Duggon. Er erzählte, daß das ACO ihn als Orgonomen abwechselnd geführt - und dann wieder gestrichen hätte. Er behauptete, das John Pierrakos Reich nie gekannt hätte, was nachweislich falsch ist. Sobey und Silvert waren die Personen, die man in der Orgonomie nicht mochte, besonders Silvert nicht. Sobey hatte den Ruf arrogant zu sein, besonders bei Pierrakos. Es ist interessant, daß der "Kommunistenhasser" Eden Patient des "Marxisten" Sobey war. Entweder waren die persönlichen Einstellungen der beiden nicht bekannt oder sie infiltrierten das Patient-Therapeutenverhältnis nicht.

Ein weiterer Interviewpartner war Jerome Greenfield (13). Er ist Autor des Buches "Wilhelm Reich gegen die USA," daß es inzwischen in Deutsch beim Verlag 2001 gibt. Jerome war einer der drei Schnellsprecher, die zwei anderen waren Al Lowen und John Pierrakos.

Nach Greenfields Ansicht hätte Reich, wenn man die Verteidigung auf einer anderen Basis geführt hätte nicht ins Gefängnis gemußt. Der, der das hauptsächlich verhindert hatte, war nach Greenfields Auffassung, Reich selbst. Ein Standpunkt der eingefleischten Reichianern vielleicht das Blut zum Kochen bringen könnte. Hatte doch Reich für die Freiheit der Wissenschaft, besonders für die Erkenntnisse der Orgonomie gekämpft. Auch Blasband sagte, Reich tat es in seiner Weise, andernfalls wäre er nicht Reich gewesen. Das mag richtig sein. Doch genützt hat es der Orgonomie nichts. Als freier Mann hätte Reich mehr Nutzen für alle gehabt. Außerdem war sein Lebenswerk noch nicht beendet. Bestimmt wäre er noch in weitere Dimensionen vorgedrungen. Vielleicht hätte er auch die USA verlassen sollen. Ich verstehe auch nicht, wie man freiwillig ins Gefängnis gehen kann. Und die Justiz ist eine Bürokratie wie jede andere. Reich wollte nach seiner Entlassung in die Schweiz übersiedeln. Das hätte er vielleicht besser vor seiner Inhaftierung tun sollen.

Greenfield ist kein orgonomisch Arbeitender. Ich glaube, er arbeitete an einer Universität. Bezüglich der Orgonomie hat er versucht durch umfangreiche Recherchen den Prozeß gegen Reich transparent und öffentlich zu machen und die Ungerechtigkeit der amerikanischen Justiz gegenüber Reich aufzuzeigen. Von ihm hörten wir, daß Joel Carlinsky uns bereits auf den Fersen war. Jerome sagte, bevor wir Amerika wieder verlassen würden, hätte Carlinsky uns aufgespürt und kontaktiert. Zumindest in diesem Punkt hatte er sich geirrt! Getroffen haben wir Carlinsky nicht. Er rief mich jedoch 2 Jahre später in Berlin an. Ich glaube, daß Jerome Beziehungen zu Joel unterhielt, bin mir da aber nicht sicher. Auch in dem Interview sprach er von einer Person mit Namen Joel.

Jo Jenks (14) lebte auf Long Island. Sie fand den Platz in Rangley / Maine, an dem später Reich sein Observatorium und das Studentenlabor errichtete. Sie ist Künstlerin und stellte die Büste her, die heute Reichs Grab schmückt. Reich wollte immer, daß sie sich nicht um die Orgonomie kümmert, weil sie Künstlerin ist und dies ihre Lebensaufgabe wäre. Jedoch bat er sie, sich von Wolfe, den sie damals liebte, zu trennen, "weil die Orgonomie ihn bräuchte." Jo in ihrer Hingabe an Reich kam dem nach, wie sie uns erzählte. Ich glaube, er war ihre große Liebe. Sie traf Wolfe nur noch ein einziges Mal um sich von ihm zu trennen. Wolfe der selber neben seinen Übersetzungen für Reich nur Therapeut sein wollte, wurde von Reich wegen einer angeblichen Beziehung zu Ilse Ollendorf, die es nie gegeben haben soll, attackiert. Reich und Wolfe überwarfen sich und Wolf, der TB hatte, trank sich später in New Mexico tot. Wolfe hat Reichs wissenschaftliche Existenz gerettet, indem er ihn nach der vernichtenden Pressekampagne in die USA einlud und ihm eine Gastproffessur an der "New School for Sozial Research "besorgte" . Reich kam mit dem letzten Schiff, daß von Skandinavien nach Amerika ablegte. Wolfe war für Reich als Übersetzer unsagbar wichtig. Eva erzählte, daß die beiden manchmal einen ganzen Abend über einen Satz saßen, um ihn optimal zu übersetzen. So geschehen im Buch "Entdeckung des Orgons-Funktion des Orgasmus", einem Lieblingswerk von Reich. Kurz vor seinem Ende benachrichtigte Gladys Mayer, Wolfes spätere Lebensgefährtin Jo und so konnten sich beide noch einmal sehen. Das Tape mit Jo war für jeden, der es bisher gesehen hat, unglaublich beeindruckend. Es ist ein sehr ruhiges Band auf dem nicht viel gesprochen wird. Obwohl Jo uns nicht kannte, gab sie uns ihren Wohnungschlüssel und bot uns Bad und Nachtquartier an. Sie war damals 85 Jahre alt und ging später nochmals eine Beziehung ein und zog mit ihrem Freund in ein Seniorenheim. Als wir 1994 das letzte Mal von ihr hörten, war sie bei guter Gesundheit.

Al Lowen (15) lebt auf einem schönen Anwesen mit einem Teich, etwa 2 Autostunden von New York entfernt, in New Canaan. Er sprach wie ein Wasserfall und ich war von seiner Wachheit beeindruckt. Er hatte Reich 1940 durch die New School of Social Research kennengelernt. Al interessierte sich für Body-Mind-Verbindungen und hatte u.a. eine Zeit Yoga praktiziert. Er half Reich nach eigenen Worten, das "Institut für Sexualökonomie und Charakteranalyse" aufzubauen. Mit Wolfe zusammen war er Therapiecounselor. Er begann eine Therapie bei Reich, die er 1945 abschloß. Der Orgasmusreflex funktionierte, jedoch war Al nicht frei von Problemen. Seiner eigenen Meinung nach war seine eigene Körpertherapie nicht tief genug gewesen und er empfand die analytische Arbeit in Bezug auf sich selbst als zu mangelhaft. Al ging in die Schweiz um Arzt zu werden und kam 1951 nach New York zurück. Reich war bereits seit 1948 fest in Maine wohnhaft und er hatte Elsworth Baker zu seinem Stellvertreter in New York ernannt. Al fand dort eine Hierarchie vor, die ihm mißfiel, da vor allem auch alle Reich nachplapperten ohne eine eigene Persönlichkeit ausgebildet zu haben. Auch im "Kreis der Orgonomen", eine Bezeichnung die neu war, konnte Al keinen Platz finden. So gründete er die "Bioenergetische Analyse (B.A.)". Al sagte: Bioenergetik ist heute sehr lebendig, während die Reichbewegung seit einigen Jahren tot wäre. Jedoch müßte er gleich einräumen, daß die B.A. inzwischen eine Crossover-Therapie geworden wäre. Er wollte, daß alle B.A. Organisationen bei ihm vorstellig würden. Al wollte sie überprüfen und dann neue Zertifikate ausstellen. Seiner Meinung nach hatte sich die Gesellschaft sehr geändert und wir würden in einer Narzistischen Epoche leben, die sehr viel Gewicht auf Ausdruck legt - aber emotionell wenig fühlen würden (narzistische Struktur). Reich hatte ihm persönlich gesagt, daß die Welt sich ändern würde, wenn sie das Orgonkonzept akzeptieren würde. Al hielt das für naiv. Ebenso meinte Reich, die Gesellschaft würde sich mit einer freien Sexualität verändern. Auch das fand Al naiv. Die kulturelle Kraft, so meinte er, wäre so stark, daß niemand und kein Konzept sie ändern könnte. Jedoch könnte Therapie u.a. mehr Bewußtsein über diese Probleme bringen. Al entzog sich dem dogmatischen Reichianismus und opferte dafür die Orgonomie. Die fand er wahrscheinlich gesellschaftlich nicht sehr bedeutend, zumal ihm die New Yorker Therapeuten zusetzten und Naturwissenschaftler war er auch nicht. Wie ich schon erwähnte besaß er selber einen Orgonakkumulator, oder besser gesagt seine Frau. Al beschrieb den Orgonakkumulator in der Therapie als störend, weil man ja dann nicht wisse, wodurch die Verbesserung entstanden wäre, durch den Orgonakkumulator oder die Therapie. Für mich nachträglich ein Standpunkt, den ich unglaublich finde. Bäume, so fand er, wären die "natürlichen Cloudbuster". Ich glaube mit diesem Standpunkt hatte er wirklich einen Volltreffer.

John Pierrakos war Mitbegründer der B.A., ließ sich aber theoretisch durch Lowen repräsentieren und lebte später mit einem Medium zusammen. Er veränderte die Therapie mehr in eine spirituelle Richtung. Ihn darauf angesprochen, was er heute von seinem Kollegen Pierrakos halten würde, fragte Lowen zurück: "Was ist grundlegender, der Baum oder seine Zweige." Lowen gab 1991 einen Vortrag in Berlin, auf dem er allerdings dann auch nicht mehr von der Bioenergie sondern vom "Spirit" redete ". Was ist also der Baum und was sind die Zweige?"

Das Interview fand Ende Mai statt und es war unglaublich heiß. Wir schwitzen alle und Al besorgte kalte Drinks für den Garten. Das Interview dauerte 3 Stunden und es gab etwa in der Mitte eine kurze Pause. Al kam dann mit irgend einer Rolle über die man sich mit dem Rücken legen mußte, um dann mit den Händen einen Stuhl hochzuziehen. Da ich mal wieder geschlafen hatte und nicht sah, daß die beiden anderen bereits eine Beschäftigungshaltung eingenommen hatten um dem Unvermeidlichen zu entgehen, erwischte es also mich - für einen Moment war ich Als Patient. Ich mußte meinen Rücken über die verdammte Rolle krümmen und den beschissenen Stuhl hochheben und "ahhhh " schreien. Al gab mir ganz hektisch Anweisungen in Englisch, die ich nicht verstand und das Ganze war eine absolute Drangsalierung für mich. Natürlich, wie konnte es auch anders sein, machte ich alles falsch. Al fragte mich, "ob ich in meinem Rücken überhaupt noch etwas spürte und ich würde wirken wie ein Mann von 75". Nach dieser Aktion fühlte ich mich eher wie 85. Zusammen wären wir bestimmt alle (Al ausgenommen) 225 Jahre alt gewesen. Vorher hatte ich mich noch wie 2o gefühlt. Nach dieser Comedyeinlage ging es genau so zügig weiter wie wir begonnen hatten. Al schien nicht müde werden. Nach 3 Stunden war alles raus was er zusagen hatte. Ich für meinen Teil hatte plasmatische Zuckung im Bauch, die einfach nicht mehr aufhören wollten. Das ging dann noch über Stunden so.

Ich bin Al sehr dankbar, daß er sich als Prominenter so für das Interview engagierte, obwohl ich all die Jahre so sehr über Al und die Bioenergetik geschimpft hatte. Natürlich wußte er das nicht und ich habe es ihm auch nicht gesagt. Schließlich wollten wir keine kontroverse Diskussion führen sondern ihn über Reich interviewen. Al ist Pragmatiker. Seine Lebendigkeit war für uns alle beeindruckend.

Als wir Al verließen setzen wir uns direkt in Bewegung nach Idaho. Dem zuvor gab es heftige Diskussionen über die bevorstehende Fahrt. Es bestand die Befürchtung, das Auto könnte schlapp machen und dann wäre die ganze Restfahrt im Eimer. Wir hatten sowieso großes Glück mit dem Auto. Eigentlich brauchte es verbleites Benzin, doch um so mehr wir nach Osten kamen, gab es nur bleifreies Benzin. Das hatte uns in Kalifornien niemand gesagt, vielleicht fahren die nie in den Osten. Später zeigte es sich, daß es anscheinend nur an der Westküste verbleites Benzin gab. So fuhren wir also die ganze Reise, außer an der Westküste, bleifrei.

Speziell ich hatte keine Lust die Gelegenheit zu verpassen, die Gruppe in Idaho kennenzulernen. Letztlich mußten die anderen in den sauren Apfel beißen. Wir hatten genau 8 Tage Zeit für einmal quer durch die USA und zurück. Das war natürlich nur möglich wenn wir unentwegt fuhren, Tag und Nacht. Und so machten wir es auch. Wir fuhren abwechselnd, der eine tagsüber, der andere nachts bis zum Morgengrauen. In unserer Diskussion versuchte ich allen immer einzureden, diese Tour würde "die" Erholungsfahrt unserer ganzen Reise werden. Kein Stress, immer nur gerade aus auf dem Highway. Man sollte es nicht glauben, sie wurde es tatsächlich, jedenfalls für mich und Beate

Der Tod von Jerome war noch nicht allzulange vorüber und Deziree (16) litt noch sichtlich darunter. Beim Interview wurde sie durch Jonathan Coe (17), einem Mitarbeiter der beiden unterstützt. Deziree erzählte über die Cloudbustingarbeit von Jerry und über die Angriffe auf Jerry durch Ufos. Sie gab uns auch Hinweise auf Autoren, die über Kidnapping durch Ufos berichteten und entsprechende Interviews mit Personen geführt hatten. Nach einer Stunde dann wollte Deziree das Interview beenden. Wir besuchten dann noch Karin Stine (18), eine Studentin von Jerry für ein Interview und setzten uns dann wieder in Richtung New York in Bewegung.

Unterwegs hatten wir am letzten Tag unserer Rückreise nach New York unsere einzige Panne der ganzen Fahrt - lediglich ein Reifen. Doch der kostete uns 2 Stunden. Dadurch kamen wir in die New Yorker Rushhour und verpaßten unser Interview mit John Pierrakos um 20 Minuten. John hatte nicht einmal eine halbe Stunde gewartet. Die ganze Plackerei von 7 Tagen Tag und Nachtfahrt umsonst! Aber wir bekamen doch noch unser Interview - es war das letzte, das wir vor unserem Abflug führten und es lohnte sich wirklich. Doch zunächst ging es erst einmal in Richtung Maine. Auf dem Weg durch Massachusetts war unser erster Stop bei Ilse Ollendorf (19). Das Interview mit Ilse war das einzige, was in Deutsch geführt wurde. Jedoch waren die Fragen zu allgemein und enthielten auch nicht die Herausforderungen an den Interviewten, die eigentlich bei so kontroversen Interviews dazu gehören sollten. Andererseits wollten wir auch niemand unter Druck setzen. So verpaßte ich es beispielsweise Ilse nach der Art Reichs Schulung für Sozialarbeiter zu fragen, als Ilse das ansprach, obwohl ich selber Sozialarbeiter bin. Auch in welcher Art Reich Priester schulte erfragte ich nicht genauer, als Ilse darüber sprach. Ja ich fragte nicht einmal, ob denn Ilse Reichs Arbeit als einen generellen Durchbruch ansah. Ich verpaßte es sogar sie zu einer Darstellung ihrer Sichtweise zu bewegen. Ilse ist die Art von Frau, die eher ein distanziertes Verhältnis zu Dingen hat. Sie beschreibt zwar die Faszination bestimmter Details, sieht aber Reichs Arbeit als eine Arbeit " des damaligen Zeitgeistes" an. Das was sie damals mit den Zeissmikroskopen gemacht hätten, könnte heute viel besser mit Elektronenmikroskopen durchgeführt werden." Mir ist bis heute nicht bekannt, daß man Lebendbeobachtungen mit dem Elektronenmikroskop durchführen kann. Wenn ja, wäre das neu und ich kann mir kaum vorstellen, daß Ilse 1989 davon gewußt haben könnte. Auch wenn dies möglich wäre, so wurde doch bis heute die Biogenese selbst durch eine solche Technik nicht entdeckt und das ist ja der entscheidende Punkt und nicht das Rumschwimmen der Amöben.

Wie dem auch sei, Ilse lernte Reich durch Gertrud Gaasland kennen, einer Emigrantin, die bei Reich bereits in Norwegen als Laborantin gearbeitet hatte und die die Freundin von Willy Brandt war. Willy Brand war damals in der Sozialistischen Arbeiter Partei (SAP), Ilse ebenfalls. Vielleicht war auch die sozialistische Vergangenheit ein Bindeglied zu Reich. Reich lernte damals Albert Einstein kennen und Ilse erzählte, daß sie sich beide gut verständen hätten. Reich setzte große Hoffnungen darauf, daß das "Institut for Event Science " Reichs Entdeckung der Orgonenergie aufgreifen würde, bevor er dann selbst sein Orgone Institute selbst ins Leben rief. 194o kauften sie die Hütte der Tropps in Maine. Reich fand das Klima dort sehr trocken. Ilse schildert Reich nicht nur als sehr eifersüchtig, sondern vor allem auf Isolation bedacht.

Ilse litt darunter ihre Angehörigen nur selten sehen zu dürfen. Auch bei Gesellschaften der Orgonomen mußte sie auf Reich verzichten, der daran nicht teilnehmen wollte. Im Gespräch hörte es sich so an, daß der wissenschaftliche Wert aus Reichs Arbeit für sie keine große Rolle spielte - jedenfalls hat sie keinerlei Äußerungen dazu gemacht. Hoppe äußerte mir einmal gegenüber, daß Ilse die falsche Frau für Reich gewesen sei, Greenfield hingegen meine , Ilse wäre sehr wichtig für Reich und die gesamte Administration gewesen. Ilse beklagt bei Hoppe nicht dessen Meinung, sondern, daß er sich von ihr abgewendet hat. Auch hier verpaßten wir es zu fragen, welchen wissenschaftlichen Belang Reichs Arbeit für Ilse hatte und ob sie selber der Meinung ist, Reich durch ihre Darstellung geschadet haben zu können. Ich vermute einmal ganz subjektiv, daß es für Ilse wichtiger war darzustellen, inwieweit Reich Menschen durch seinen Wissenschaftsdrang geschadet hat. Vielleicht gehört sie auch zu den Menschen, die sich den Fortschritt eher durch den Sozialismus erhofften und nicht durch die Naturwissenschaft. Eine Vermutung, die auch die Ablehnung gegen den naturwissenschaftlichen Reich plausibler machen würde. Reich sprach von der Kommunistischen Verschwörung. Ilse glaubte nicht daran. Vielleicht gab es sie auch nicht und trotzdem könnte es sein, daß Reich der Gegensatz zwischen sozialistisch denkenden - und naturwissenschaftlich denken Menschen immer klarer wurde. Ilse sprach im Interview von den sozialistischen Emigranten in Amerika als ihr Freundeskreis. Wahrscheinlich wollte Reich mit denen nichts zu tun haben. Und schließlich kam der Angriff gegen den Orgonakkumulator von den Linken. Mildred Brady, sowie auch der damalige Herausgeber des New Publik, Henry A. Wallace, der alles mit dem Artikel "der seltsame Fall Wilhelm Reich " ins Rollen brachte, waren Stalinistensympathisanten.

Ilse war gelernte Buchhalterin und arbeitete bei Reich (nach einem Kursus) im Labor in Forest Hills. Reichs Arbeit mit dem Cloudbuster war für sie schon outer space - da war sie schon weg. Im Nachhinein bei diesen, wie auch bei dem Interview mit Penny Cacciavo fällt mir auf, daß wir es völlig verpaßten nach den Details der Laborarbeit zu fragen. Wahrscheinlich lag des daran, daß wir damals selber noch nicht naturwissenschaftlich arbeiteten, sondern diese Arbeit erst 2 Jahre später ihren Anfang nahm. So sind überhaupt die naturwissenschaftlichen Fragen in den Interviews sehr unterrepräsentiert.

Ilse floh letztlich aus Angst vor Reichs Unbeherrschtheit, wie sie sagte. Digne Meller-Marcovicz, die sie auch interviewte, verweigerte ihr eine Kopie des Interviews, sowie eine Kopie des von ihr gedrehten Films, der öffentlich von den Sendeanstalten im Fernsehen abkopiert werden könnte. Ilse war im Gegensatz zu mir sehr daran interessiert, daß ihr Band in die Öffentlichkeit kommt.. Die Kopie, die sie verlangte schickte ich ihr.

Vielleicht waren die beiden (Reich und Ilse) wirklich nicht so eine gute Kombination. Wenn Ilse soviel Interesse daran hat, ihr Verhältnis Öffentlich zu machen, hat sie wohl ihren Grund. Mit der Orgonomie hat das wohl nichts zu tun. Vielleicht möchte sie zeigen daß Reich doch nicht der Held ist, für den viele ihn halten und das man nicht Held auf dem Rücken der normalen Menschen sein sollte, die einfach nur leben wollen, so wie sie sind. Ich glaube, daß sie durch Reichs Verhalten nachhaltig verletzt wurde. So beschimpfte Reich sie beispielsweise nach einer Aussage von Allan Cott, in einer Ärzteversammlung wegen eines geringfügigen Fehlers, den sie beging, als dumm. Die Arbeiten Reichs sind aber letztlich für die Menschen der Zukunft interessanter als Privates. Insofern ist Ilse nur ein Teil der Reichschen Historie. Trotzdem bin ich Ilse dankbar für dieses Interview. Schließlich wollten wir ja kein Glaubensbekenntnis, sondern wissen, wie sie Reich sah und das hat sie uns freundlicher Weise erzählt. Auch ihr gilt unser Dank.

Unsere Fahrt ging weiter Richtung Maine. Zuerst wollten wir bei Eva hereinschauen. Wir riefen an und erlebten sie, wie ich sie typischerweise kenne: keine Zeit, beschäftigt, hab die ganze Zeit im Garten gearbeitet, für eine Tasse Tee ist gerade mal Zeit - höchstens. Daraus wurde dann ein längeres Gespräch und morgens gingen wir erst mal mit ihr ans Meer, daß quasi vor ihrer Haustür liegt. Von Digne, in dessen Film sie auch Geld reinsteckte, war sie enttäuscht. Was Neues wollte sie wohl nicht so recht machen. Nach dem Spaziergang gab uns Eva eine Reihe von Videobändern, die wir nach Berlin mitnahmen. Da ich sie und ihre Arbeit ausführlich in Berlin in Workshops und Vorträgen dokumentiert hatte, machten wir jetzt keine Aufnahme.

Die Fahrt ging weiter nach Rangley, etwa 3oo km von Hancock entfernt. Wir kamen mitten in der Nacht an und schliefen in einer Haltebucht. Als wir morgens aufwachten standen wir ganz in der Nähe des Wegweiserschildes zum Wilhelm Reich-Museum, daß man erreicht, wenn man von der Hauptstraße abbiegt. Man fährt dann einen kleinen Waldweg einige km und sieht dann schon über eine freie grüne Lichtung das Studentenlabor, in dem auch das Büro ist. Wir meldeten uns brav an und fuhren dann die Straße hoch zum Observatorium. Wie oft hatte ich über diese beiden Gebäude und den Weg zwischen ihnen gelesen.

Dieser Tag war der 13. Juni, mein Geburtstag und der Besuch in Reichs Wirkungsstätte, seiner Identifikation, seinem Heim und Labor war natürlich etwas ganz Besonderes. Das WR-Museum war geschlossen aber 2oo Dollar öffneten uns alle Türen. Jedoch mußten wir die Objektive unserer Kameras verschlossen halten. Filmen war verboten. Zuerst zeigte man uns im Keller die Diashow mit Informationen. Dann sahen wir Reichs Labor im Erdgeschoß mit dem Orgonakkumulator und anderen Geräten. In einem separaten Raum konnte man ein Video über den Orgonmotor sehen. Im 1. Stock dann Reichs wunderbares Arbeits- und Wohnzimmer. Noch eine Treppe höher kam man durch einen kleinen Raum wieder ins Freie auf eine große Dachterrasse. Da durften wir dann filmen und fotografieren. Nachdem wir alles gesehen hatten gingen wir durch einen kleinen Weg zum Grab Reichs, auf dem die Büste von Jo Jenks stand und ein kleiner Cloudbuster mit Reichs Initialen. Das wars.

Am nächsten Tag trafen wir uns mit Mary Boyd Higgins, die wir auch nicht mit der Kamera interviewen durften. Da blutet einem schon das Herz wenn harte Spiegeljournalisten, die eigentlich kein Interesse an der Sache haben alles filmen dürfen und dann noch letztlich zum Argument werden, daß engagierten Personen das untersagt wird - eine Ironie des Schicksals, mit dem man leben muß. Miss Higgins (don´t call her Misses, sagte Herskowitz) empfing uns zum Gespräch. Ich weiß nicht mehr im einzelnen was gesprochen wurde, jedoch boten wir ihr an, einen Promofilm für das Museum zu drehen, was sie aber nicht sonderlich interessierte. Mißtrauen war eher angesagt. Gern hätten wir das WR-Museum gefördert und auch in Deutschland populär gemacht - aber die entsprechende Verschlossenheit war dem gegenüber nicht gerade förderlich. Näher kennenlernen wollte sie uns wohl auch nicht. In den Tagen, in denen wir in Rangley waren, hätte sie dazu Gelegenheit gehabt. Aber wenigstens sprach sie mit uns.

Von praktischer Arbeit innerhalb der Orgonomie hielt sie nicht viel. Über die betreffenden Organisationen meinte sie, "die sollten erst einmal den Orgasmusreflex verstehen." In einem Punkt würde ich ihr heute recht geben: Das wichtigste für die Zukunft werden Reichs Schriften sein. Meines Erachtens gibt es heute weltweit die Tendenz Reich an gängige Erfolge anzubinden. Man weiß also nicht wieviel vom Praktischen übrig bleiben wird. Da ich mich jetzt schon sehr lange in der Orgonomie aufhalte, weiß ich wovon ich rede. Nach Jahren der orgonomischen Dürre geht heute fast "Jeder mit Jedem", wenn es nur erfolgversprechend ist. Die einzige vernünftige Arbeit, nach Higgins, schien es zu sein, nichts anderes zu tun, als das Wilhelm Reich Museum zu unterstützen. So bestellten wir Videobänder von Chester M. Raphael für unser Archiv und Miss Higgins schenkte uns freundlicherweise ein paar Fotoabzüge von Reich. Miss Higgins gestattete es mir den Orgonraum im Studentenlabor zu begehen. Ich wußte von alten Fotos, wo er war. Er war unglaublich klein und die Akkumulatoren, die man dort auf den Bildern sieht sind kleine, wie für Kinder - keine großen Akkumulatoren. Reich hatte im Zuge des Oranurexperiments die gesamte Metallauskleidung entfernt. Stand man ruhig im Studentenlabor, konnte man eine angezogene Orgonenergie wahrnehmen. Miss Higgins darauf angesprochen meinte, "sie würde davon nichts spüren." Das glaubte ich ihr sogar. Ein Organismus kann sich bestimmt an ein solches Niveau gewöhnen.

Wir übernachteten in einem Motel, daß an einem See lag. Am Abend stritten wir uns tierisch aus dem Nichts heraus. Aber ich empfand ihn als völlig grundlos, es war wirklich nur die Aufregung durch die Atmosphäre hier in Rangley. Wir alle empfanden diese oranurartige atmosphärische Erregung.

Am nächsten Tag besuchten wir Tom Ross (20) . Man sagte uns, ihr werdet das Haus sofort finden, es hat den schönsten Garten an der Straße. Tom wohnte unweit vom Museum selbst. Er ist der Mann der immer über den Doktor redet, den er sehr verehrte. Auch er lebt heute nicht. Eva sagte uns, daß man sich bei Tom nicht anzumelden bräuchte. Und so war es auch. Wir fuhren vorbei und zeigten zunächst die Aufnahme von McCullough, die er sich aufmerksam ansah. Dann wollten wir das Interview mit ihm aufzeichnen doch er ließ durchblicken, daß Miss Higgins das nicht so gerne hätte. Eigentlich sollte er sich gar nicht aufnehmen lassen. Das war natürlich ein Schock für uns. Wir versuchten ihm unseren Standpunkt darzulegen aber auf Fragen bezüglich der Aufnahme reagierte er jetzt gar nicht mehr. Er sagte weder nein noch ja. Also starteten wir die Kamera und warteten was passieren würde. Es passierte nichts und am Ende hatten wir ein etwas 3 stündiges Interview von Tom über den Doktor auf Band. Das Interview ist als Transkript in Pore im Original einzusehen.

Wie verließen Maine im Regen um in New Jersey Barbara Coopman (21) bei strahlendem Wetter anzutreffen. Barbara war zur der Zeit noch Mitglied beim ACO und war mit verantwortlich für das Journal . So war ihre Darstellung auch noch ACO - orientiert, das sie in höchsten Tönen lobte. Sie gab eine vollständige Beschreibung der Aktivitäten des Colleges. Das Interview war äußerst interessant, da Barbara sehr ausdrucksstark ist. Beates Kameraführung zeigt meist ihr Gesicht, daß sehr gut ihre Empfindungen darstellt. So sprechen wir im Interview viele Probleme an, wie beispielsweise die Trennung zwischen Baker und Raphael, 3 verschiedene Ansätze von Cloudbusting u.s.w.. Man kann in Barbaras Gesicht sehen, daß sie die Fragen nicht sonderlich mag - einfach deshalb, weil es keine Antworten darauf gibt und das die mangelnde Geschlossenheit der Orgonomie noch mehr aufzeigt. Barbara begann das Interview mit der Herausstellung des ACO als orgonomische Schule für die Welt.

Als Chef des Journals kannte sie bestimmt die Probleme mit Neil Snyder. Ich glaube Barbara hätte gerne die harmonischen Aspekte der Orgonomie vorstellt. Worüber Barbara sprechen wollte, war der Aspekt den sie am besten verstand - die Orgontherapie. Sie überzeugte mich, daß das ACO einen sehr tiefen Standpunkt der Therapie vertrat. Was ich von ihr und später auch von Albert Nelson hörte, war eine starke Betonung auf den charakteranalytischen Aspekt der Therapie.

Albert Nelson (22) lief uns quasi zufällig bei Barbara über den Weg. Albert kannte Reich persönlich. Er, der später Psychiater und Arzt, dann Orgonom wurde, war fasziniert von Politik und las in einer anarchistischen Zeitung über Reich. Reich, den er in Forest Hills besuchte als er 19 war, überwies ihn an Al Lowen, der damals als "health-trainer " an einer Schule arbeitete, etwas ungenauer gesagt, er war daß, was wir als Sportlehrer oder heute als Aerobic - Trainer verstehen würden. Al hatte kein Büro, es war eher ein Zimmer in dem so laut geschrien wurde, daß die Polizei kam. Reich schickte Al in die Schweiz, weil es dort leichter war Arzt zu werden. Als Albert Reich das zweite Mal sah, examinierte er ihn als Patient von Al. Al war zu diesem Zeitpunkt schon Arzt. Unter anderem erzählte er uns, daß Lowen sich von Reich abwandte, weil dieser wollte, daß Lowen eine psychiatrische Ausbildung machten sollte. Lowen wollte das nicht. Lowen führte später wieder seine Sportübungen in die Therapie ein. Er entwickelte dann selber eine Charakterlogie, in der sich kein Orgonom orientieren kann und die in der Orgonomie als absolut unsinnig angesehen wird. Besonders das Lösen des Beckens als "Grounding" wird als absolut gefährlich angesehen und ist so ziemlich das Fälscheste, was man überhaupt in der Therapie nach orgonomischen Gesichtspunkt tun kann. Albert sprach im Interview darüber.

Albert war kein Mitglied des ACO und mochte es wohl auch nicht besonders. Seine Kritik an der Bioenergetik fand ich brillant. Schließlich kannte er beides- Orgontherapie und Bioenergetik. Auch Al kannte er, seine Geschichte und Entwicklung

Allan Cott (23), diesen Namen fand ich in Myrons Buch. Ich kam auf die Idee, daß er eventuell auch im New Yorker Telefonbuch verzeichnet sein könnte und das war tatsächlich der Fall. Wir riefen ihn also an und Allan meinte, "daß würde sich gut treffen. Er wäre in den letzten Tag seine alten Notizen über Reich durchgegangen und wir sollten gleich morgen vorbei kommen ", was wir auch taten. Allan wohnte mit seiner deutschen Frau auf der 5 Avenue, nahe Tiffany und dem Central Park. Allan lernte Reich als "Psychoanalytiker" kennen, der ab einem Punkt seines Lebens immer mehr verfiel und überall "Orgon" sah. "Wer es nicht sehen wollte, war gepanzert, oder wer dagegen eingestellt war, pestilent." So stand es in Allans Notizen. Allan hielt Reich für geisteskrank. Allan Cott war einer der wichtigsten Repräsentanten Reichs für öffentliche staatliche Stellen. So bat ihn Reich beispielsweise bei Eleanor Roosevelt vorzusprechen um Reichs Standpunkt darzustellen. Cott tat das auch, Eleanor Roosevelt versprach Cott die Sache an einen Spitzenphysiker weiterzugeben. Dieser Mann war Robert Oppenheimer. Nach einiger Zeit bekam er die Rückantwort. Cott zitierte aus seinen Notizen: ..."he (Oppenheimer) was aware of Reichs orgone energy work and found nothing in it." Er übermittelte diese Antwort Reich. Allan sagte, daß Reich ihn sehr mochte, weil er absolut nüchtern war und nicht so wie die anderen. Reich hätte ihm vertraut. Cott trennte sich jedoch von Reich. Der Anlaß war, daß er Silvert als unerträglich empfand. Er meinte, solche Leute würden nicht in diesen Berufsstand gehören. Er sagte auch, daß er nie an die Orgonenergie geglaubt hätte. Schwer zu verstehen, weil er doch (neben Bill Moise) ihr offizieller Vertreter gegenüber staatlichen Stellen war. Der Orgonakkumulator, der nicht wirkte, soll die Apartments in New York immer überhitzt haben. Wie denn, wenn er nicht wirkte? Dafür hatte Allan auch keine Erklärung.

Allan Cott entwickelte später eine Vitamintherapie mit der er sehr bekannt wurde. Er behauptete, Reich wäre, wenn er länger gelebt hätte, auch auf dieses Prinzip gekommen. Cott übergab uns 2 slides, eins von Reich und ein anderes von Wolfe. So leicht wie wir ihn gefunden hatten, so unerreichbar blieb er später für uns. Im New Yorker Telefonbuch fand sich 1994 kein Eintrag mehr von ihm. So konnten wir ihm die Slides bis heute nicht zurückgeben.

Weitere Interviewpartner in New York waren Emil (25) und Penny Cacciavo (24). Sie wohnten ebenfalls wie Jo auf Long Island. Penny ist die Tochter von Jo und zur Zeit des Interviews war sie 65 und arbeitete als Psychoanalytikerin. Sie kannte Reich seit Ende der Highschool, also seit ihrem 17. Lebensjahr. Später arbeitete sie in Reichs Labor in Forest Hills zusammen mit Ilse. Kaum waren wir angekommen, erschien Emil, Pennys Mann (von dem wir gar nicht wußten, daß es ihn gab) vom Tennisspielen und fing an uns unangenehme Fragen zu stellen. So fragte er uns nach unserer politischen Meinung und fing an sie zu kritisieren. Das alles in weißen Shorts und noch mit dem Tennisschläger in der Hand. Mit der Zeit wurde ich so ärgerlich, daß ich auf deutsch sagte: Laß uns gehen wenn der nicht gleich seine Klappe hält. Emil darauf angesprochen machte eine 180 Grad-Kehrtwende und wurde sehr freundlich und klopfte uns auf die Schulter. Es war alles nur Spaß und er wollte sehen, wer wir waren.

Das folgende Interview wurde eines der offensten und einfühlsamsten der ganzen Reise. Ich mag die beiden sehr und wir haben heute noch Kontakt zu ihnen. Mitte der vierziger Jahre hatte sich Reichs Arbeit bereits von Forest Hills nach Orgonon verlagert. Penny sollte dort für ihn arbeiten und deshalb brauchte Emil auch einen Job in der Nähe. Emil betreute das Sommercamp für die Kinder auf der "Rolling Hill Farm". Sie zeigten uns Fotos von Mickey Sharaf, Bill Washington und ihnen selbst gemeinsam beim Sonnenbaden. Sie müssen zu der Zeit jünger als wir gewesen sein. Beide beschreiben Reichs emotionale Verschlechterung in den 40ger Jahren, ohne aber deren Ursache nennen zu können. Das Anfangs liebevolle Verständnis von Reich verwandelte sich in erschreckende Ereignisse für beide. Reich feuerte Penny aus nichtigen Gründen und stellte Emil als ein Produkt der emotionellen Pest vor seiner Ärzteversammlung aus. Beide legten uns ein schriftliches Dokument vor, aus dem hervor ging, daß Reich Lowen aufforderte Emil, der damals bei Al Lowen in Therapie war, nicht weiterzubehandeln. Wir wissen nicht, warum Reich das tat. Der feurige Emil überstand die Angriffe auf seine Person, die sensible Penny hat Reichs Angriffe auf ihre Person bis heute nicht überwunden.

Auf Empfehlung von Barbara Coopman trafen wir Jorge Stolkiner (26) in New York. Er ist Arzt und Therapeut in Argentinien und ein Kollege von Barbara Coopman. Er kennt alle Persönlichkeiten von Baker über Pierrakos bis Lewis. Stolkiner ist Buddhist und es war für ihn interessant zu erfahren, daß ich ein Lama-Meditationsretreat von annähernd 5 Jahren hinter mir hatte. Unser Hauptthema war die Verbindung buddhistischer Inhalte mit orgonomischen, etwas was für mich in allererster Linie bedeutet die Sexualökonomie in den Buddhismus einzuführen. Er selber hatte diese Probleme nicht, da er einerseits Therapeut, andererseits in einer buddhistischen Gruppe in Agentinien integriert war (viele dort waren bestimmt seine Patienten). Heute habe ich meinen Wunsch längst aufgegeben, da er ebensowenig funktionieren kann wie die Verbindung von Psychoanalyse und Marxismus. Stoltkiner traf ich 1990 in Grenoble /Frankreich wieder, wo wir ein Videoband über die Inhalte der Sexualökonomie für eine der höchsten Persönlichkeiten der buddhistischen Welt aufzeichneten, den jungen Tulku Dzongsar Khyentse, den unser Videoarchiv auch dokumentierte. Jorge besuchte unsere Kommune, die damals geschlossen in der Müllerstraße in Berlin -Wedding wohnte und gab dort Therapie. Er fühlte sich dort ausgesprochen wohl. Er versprach mir alles über Therapie beizubringen, was er wüßte, wenn ich zu ihm nach Argentinien kommen würde. 1992 machte Stolkiner erneut einen Besuch bei uns in Berlin, ebenso wie Neil Snyder.

Unser letzter Interviewpartner war John Pierrakos (27). Er residierte mitten in Manhattan in einem Penthaus, der Sitz des "Core Energetic Institutes" mit einer Empfangsdame. Pierrakos trafen wir das erste Mal in Berlin wo er zum Anfang seines Vortrags Dias mit sexuellen Motiven aus der Antike etc. unterlegt mit klassischer Musik vorführte. Bei jedem Dia sagte er dann lachend " You see-next!". Al Lowen erzählte uns, daß Pierrakos bei ihm angerufen hatte und fragte, was wir denn für Leute seien, was wir wollten und wie er damit umgehen sollte. Später als ich ihn das erste mal anschrieb, antwortete er mir, er könnte sich nicht daran erinnern, mit uns ein Interview geführt zu haben.

Hier also die Beschreibung des Interviews, das niemals stattfand : John las in Griechenland einen Artikel über Reich mit dem Titel "der Mann, der die Lebensenergie entdeckte". Damals war er 14. Später, als er in Amerika auf der Columbia Universität studierte, lernte er Barbara Coopman kennen. Durch sie las er das Buch " die Funktion des Orgasmus." Er war selber später Patient bei Reich. John konnte die Orgonenergie visuell gut wahrnehmen und machte über Monate Beobachtungen am Cloudbuster. Dabei stellte er nach eigenen Worten fest, daß sich die Orgonenergie zuerst am Boden sammelt und ihr Potential trichterförmig in den Himmel schließt. Erst danach sammelt sich die Orgonenergie erneut und wird vom Cloudbuster angezogen. John verfaßte ein Papier und übergab es Reich, der sehr abfällig darauf reagierte. Er fand es uninteressant, weil es nicht in der orgonomischen Terminologie ausgedrückt war. John dachte darauf hin: "Fuck you". Auch John erfuhr die orgonomische Ausgrenzung. Im Interview zeigte sich, daß der er sehr gut mit der Sexualökonomie vertraut war, ein Fakt, den man heute bei jüngeren Neoreichianern kaum noch findet. Er war später Patient bei Baker und gründete mit Al Lowen, als dieser den Kontakt zu Reich verlor, gemeinsam das "Institut für Bioenergetische Analyse." Später lebte er mit einem Medium zusammen und gründete die CORE ENERGETICS. Bei Pierrakos finden sich paranormale Phänomene wieder. Seine Wurzeln hat er aber eindeutig in sexualökonomischen Orgonomie. Mit seiner Zuortnung der Sexualität zur griechischen Götterwelt, wie er es im Vortrag in Berlin darstellte, konnte ich allerdings überhaupt nichts anfangen. Pierrakos ist ein absolut interessanter Mensch dessen Interview sehr transparent und lebendig war und von den amerikanischen Anfängen der New Yorker Zeit erzählte.

Wir beendeten unsere Reise in der letzten Juniwoche und flogen von Boston zurück nach Berlin. Mitte Juli begann eine neue Dokumentationsreihe in Dänemark die bis November`89 andauern sollte und dadurch war der Amerikaaufenthalt von vornherein zeitlich begrenzt. Noch während der Drehaufnahmen in Italien im November erfuhr ich vom Fall der Mauer in Berlin. Es war der 9. November. Die Welt war in Bewegung geraten, der Kalte Krieg war aus. Wir wissen nicht, was dies für die Orgonomie zur Folge haben wird. Jedoch ist eine Epoche zu Ende gegangen. Die Personen, die wir interviewten waren in ihrer damaligen Zeit noch sehr jung, etwa wie John 14 Jahre - oder Penny 17 Jahre alt und wir sind froh einiges von Ihnen der Nachwelt erhalten zu haben, und sei es nur auf Film.

1990 ging das gesamte aufgezeichnete Material der Konstanze Freihold GmbH auch rechtlich in unseren Besitz über. 1993 ließen wir uns außerdem noch einmal die gesamten Rechte der interviewten Personen schriftlich bestätigen und wir sind im Besitz dieser schriftlichen Dokumente. Als Orgonomisches Videoarchiv hatten wir das Autorenrecht bereits seit 1989.

1996 gelangten wir in die glückliche Lage Jamerling Ogg aus Maine USA kennenzulernen. Er führt den Publik Orgonomic Research Exchange weltweit und es gäbe keinen anderen Platz der geeigneter wäre Transkripte der Interviews öffentlich zu machen als diesen.

Transkripte von Robert McCullough, Tom Ross und Morton Herskowitz werden als erstes in PORE erscheinen, ein deutsches Transkript von Jerome Greenfields Interview in DOS, dem deutschsprachigen öffentlichen Service. Über DOS haben sie auch Zugang zu den PORE-Seiten. Die Veröffentlichungen der Transkripte werden in DOS angekündigt werden.

Wir möchten im Nachhinein noch allen lebenden Personen, die uns ein Interview gewährten unseren Dank aussprechen und noch einmal unser Bemühen bekräftigen, diese Interviews für die Öffentlichkeit in voller Länge in Bild und Ton zugänglich zumachen und ihnen in öffentlichen Bibliotheken ein letztendliches zu Hause für die weitere Zukunft zu geben.

Allen Beteiligten, die für die Entdeckung der Lebensenergie kämpften und litten gebührt unser Dank und unsere Hochachtung. Wir wünschen allen ein weiteres friedliches und glückliches Leben nach dieser ersten gewonnenen Schlacht. Ebenso gebührt unser Dank denjenigen, die nicht mehr unter uns weilen. In der Erinnerung und unseren Filmen werden sie lebendig bleiben.

26. November 1996

Wilhelm Reich Akademie

http://www.wilhelm-reich-akademie.de/

Wilhelm Reich OrgonInstitut Deutschland

http://www.orgoninstitut.de

.


  Joachim Trettin & Beate Freihold © copyright