Wilhelm Reich Akademie

Die USA gegen Wilhelm Reich

Jerome Greenfield 1989

Aufzeichnung Beate Freihold, Herausgeber Joachim Trettin

Ich sprach hier vorhin schon über den gerichtlichen Aspekt des Falls Reich. Und ich muß sagen, allgemein habe ich das Gefühl, Reich hätte nicht ins Gefängnis zu gehen brauchen, hätte er den richtigen Rat befolgt. Wie wir bereits erwähnten, hatte die Regierung in der Sache Reich einen sehr wackligen Fall. Dr. Baker hatte in mehreren Artikeln in zurückliegenden Ausgaben des Journals of Orgonomy dasselbe gesagt. Da war dieser Dr. Silvert, ich weiß nicht, ob Sie von ihm gehört haben. Er ging mit Reich ins Gefängnis und er war ein ziemlich extremer Fanatiker. Er unterstützte Reichs extreme Ansichten und unwirklichen Erwartungen, Hoffnungen bezüglich des Prozesses. Reich steckte so tief in seiner Arbeit, daß er längst diesen klaren Bezug zur Realität verloren hatte und nicht mehr wußte, was überhaupt um ihn herum passierte. Er lebte in der Zukunft, er lebte in und für seine Arbeit und hatte total falsche Vorstellungen von all dem, was um ihn herum geschah. Silvert ermutigte ihn dazu, Baker war dagegen und bestritt es, ebenso Raphael. Baker und Raphael waren zu der Zeit eng befreundet und sie meinten, Reich sollte vor Gericht erscheinen und sich gegen die Anschuldigung verteidigen. Reich war darüber in Zweifel, worin ihn Silvert noch bestärkte, und beschloß, dem Gericht fernzubleiben.

Haben Sie den Antwortbrief gelesen, den er geschrieben hat an den Richter. Er hatte ernsthaft erwartet, der Richter würde ihn ernst nehmen. Dieser Brief ist ein wunderbares Dokument, doch so unrealistisch in den Augen eines jeden Mitarbeiters des amerikanischen Gerichtswesens, als daß irgend jemand von denen es mit dem nötigen Ernst hätte betrachten können. In dem Brief ging es überhaupt nicht um den eigentlichen Sachverhalt, sondern nur an die Grundlagen des Gesetzes. Reich versuchte darin, das amerikanische Recht neu zu formulieren , neu zu konzipieren, anstatt sich selber gegen die gegen ihn erhobene Klage zu verteidigen. Aus dem Grunde also verurteilte man ihn dann zu einer Gefängnisstrafe. Higgins glaubt nicht daran, einige glauben nicht daran, daß es für Reich keinen Ausweg gegeben habe seine Integrität zu bewahren sowie einer Inhaftierung zu entgehen. Mir schien das jedenfalls auch nicht der richtige Weg gewesen zu sein.

Glauben Sie, er wollte nicht ins Gefängnis?

Ich denke, es war ihm gleichgültig. Er war sehr entschlossen. Und möglicherweise wollte er auf die eine oder andere Weise sterben, ermordet werden. Sehen Sie, es gibt nichts als Mord und Totschlag, was zum Etablissement eines Gefängnisses führt. Schauen Sie sich an, was unlängst in China geschehen ist, die Tausenden und Aber tausenden Studenten, die ums Leben kamen. Das ist verrückt und hat zudem in aller Welt solche Bedeutung erlangt. Und es ist das Morden, was zu einer bestimmten Art von Wirklichkeit führt. Es könnte also durchaus sein, daß er so oder so den Tod suchte. Ich habe einen Artikel mit dem Titel Wilhelm Reich im Gefängnis veröffentlicht, der sich auf Gefängnisunterlagen stützt, welche ich bekommen habe, nachdem mein Buch erschienen war. Alle waren beunruhigt, Neill machte sich Sorgen, ob und wie Reich mit den Haftbedingungen fertig werden würde. Doch Reich wurde ganz gut damit fertig. Er machte weiter seine Arbeit usw. , verbrachte viel Zeit in der dortigen juristischen Bibliothek und schrieb, ob an Eva oder jemand anderes über sich, daß er sich zu seinem eigenen Erstaunen prima eingewöhnt habe. So gesehen war es demnach gar- nicht so schlimm für ihn, und wie ich schon sagte, vermute ich, daß er sich auf irgend eine Art den eigenen Tod herbeisehnte. Ich weiß nicht, wie viele Leute in der Orgonomie letztendlich daran glauben würden, aber nach dem, was passiert ist, könnte man das als eine Möglichkeit annehmen.

Haben Sie Reich persönlich beim Prozeß gesehen?

Ja, ich war bei der Verhandlung dabei. Damals war ich in Therapie bei Dr. Tropp, den Sie vielleicht kennen. Ich war über Jahre hinweg sein Patient. Als dann der letzte Verhandlungstag heran war, ging Bob sämtliche Therapeuten und deren Patienten holen, die er auftreiben konnte, damit diese ihre Solidarität und Unterstützung für Reich im Gerichtssaal bekundeten. Also kam auch ich dahin.

Der Aussage in Makaveyev- Film zufolge heißt es nun in den Unterlagen der FDA, daß der Verhandlungsraum in Portland des Bundesstaates Maine wie Greenwich Village aussehe. Es waren so viele, die Zeit der Hippiebewegung und des Beats usw. hatte begonnen und sie alle waren gekommen, um Reich beizustehen. Ich habe Reich dort getroffen. Es war so ungewöhnlich. Im übrigen schreibt Myron Sharaf in seinem Buch darüber, wie nach der Urteilsverkündung Reich in die Halle hinaustrat und all seine Sympathisanten ihn umringten. Ich stand etwas abseits und fühlte auf einmal, daß ich augenblicklich Zeuge eines historischen Ereignisses wurde. Ich betrachtete ihn von da so eindringlich, daß er sich unentwegt nach mir umdrehte. Er war ein sehr empfindsamer Mensch, nicht wahr. Er drehte sich also ständig nach mir um, betrachtete mich und schaute wieder zu den Leuten, die ihn umringten. Später dann schritt er die Halle entlang, ich postierte mich so, daß ich von vorn sehen konnte wie er aussah; er erblickte mich, kam herüber zu mir und fragte mich, wer ich sei. Wir gaben uns die Hand.

Wie oder warum kamen Sie also zu der Entscheidung, diese Untersuchungen zu seinem Prozeß anzustellen? Interessieren Sie sich für Rechtsfälle?

Nein, überhaupt nicht. Ich mußte in der Sache recherchieren, weil man mir dieses Buch in Auftrag gegeben hatte. Dieses Erlebnis, dabei gewesen zu sein, ließ mich nämlich nicht mehr los, und ich wußte so gar nicht, was da eigentlich abgelaufen war. Ich glaube, die meisten von denen, die mit Reich persönlich zu tun gehabt hatten oder bei ihm in der Therapie waren, konnten sich nicht erklären, was das alles zu bedeuten hatte. Auch ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Außerdem war gerade die Zeit der Hippies angebrochen, und Reich war in der Antikultur beliebt und populär, somit waren Agenturen und Verleger an diesem Buch interessiert. Also legte ich es ihnen vor. Sie gaben mir einen Vertrag und ich konnte der Sache nachgehen und machte bei der Gelegenheit eine ungeheure Entdeckung für mich. Denn am Ende wußte ich Bescheid darüber, was da nun wirklich abgezogen worden war. Deshalb schrieb ich das Buch.

Was hat Sie bei Ihren Nachforschungen besonders beeindruckt?

Nun, ich ging zunächst ins Washington D.C. und verbrachte zwei bis drei Wochen im dortigen Büro der FDA. Verblüffenderweise muß ich gestehen, daß ich die Leute dort mochte. Sie waren sehr hilfsbereit. Jedenfalls die meisten. Sicher nicht alle. Zwei von ihnen waren im Reich-Prozeß verwickelt, das war Anfang der 70er Jahre, der Prozeß hatte Ende der 40ger Mitte der 50er Jahre begonnern, es waren also einige von denen immer noch dabei. Die waren nicht gerade freundlich und entgegenkommend. Die wollten auch nicht, daß ich an die Unterlagen gelangte, sondern an den Chef der Abteilung, in der ich mich befand, geriete. Die Abteilung nannte sich "Department of Compliance (Konzessionsabteilung bzw. Gewerbeaufsichtsbehörde). Entgegen deren Einwände händigte er mir die Unterlagen aus. Natürlich mußte ich ihnen eine Lüge auftischen. Daß ich Reichianer war, konnte ich ihnen nicht erzählen. Statt dessen erzählte ich denen einfach, daß ich lediglich an dem Prozeß interessiert sei, weil eine Menge von meinen Studenten am Collage sich für Reich interessierten und ich selber davon gehört hätte und nur wissen wollte, was da eigentlich los war. Auf die Weise kam ich an das Material. Und nicht zuletzt war ich doch verblüfft von der Vollständigkeit der Unterlagen. Alles war da drin vermerkt und dokumentiert. Fünf große Kästen voller Dokumente.

Diese Dokumente, waren das Bücher oder was?

Nein, nein, lose Seiten waren das. Ordnerweise in den Büroschränken. Und unter anderen hatten sie eine Kopie von "Contact with space " und anderen Büchern von Reich.

Waren Sie auch in der Washington Bibliothek?

Ja, aber das war nicht ich. Das war ein Freund, der nicht genannt werden will. Der erzählte mir, er wäre in der Eisenhower Bibliothek gewesen.

Und die haben das an den xy geschickt?

Ja. an den Geheimdienst Er meinte, er habe mindestens an die vierzig Stellen in diesen Ordnern ausmachen können. Ich schaute unter Reich nach, ob da nicht eine Kartei existierte, wo drin stand, daß diese Unterlagen die an die Eisenhower Bibliothek ge- gangen waren, an den Geheimdienst geschickt wurden. Er sprach mit dem Bibliothekar und fragte ihn, wie es dazu gekommen sei. Warum sie das getan hätten? Sie und er erklärten ihm, daß sie mit allem, was für den Präsidenten bestimmt sei und worin sie eine Gefahr sähen, so verfahren. Sie schickten das an den Geheimdienst und der prüfte das nach.

Und behält es ein?

Freilich behält der das ein. Ja, wie vorhin schon gesagt, ließ ich mir also die Unterlagen kommen und versäumte nicht zu erwähnen, was wir über Reich wußten, weil Reich ihnen Kopien von seinen Büchern z.B. "Adam ist für den Frieden"..."Wider die Higs" etc.. Sicher wären auch noch andere Dinge in diesen Drucken, die er ihnen zugesandt hatte, die aber nicht veröffentlicht wurden, interessant gewesen einzusehen. Wie Sie vielleicht wissen, hatte er große Achtung vor Eisenhower. Er wähnte Eisenhower auf seiner Seite usw.

Gab es dafür irgendwelche Beweise? Hatte Eisenhower jemals Kontakt zu Reich?

Nein. Einmal hatte es fast sowas wie einen Beweis gegeben. Eisenhower begab sich auf eine Angeltour nach Rangeley im Bundesstaat Maine, als auch Reich sich dort aufhielt. Und während meiner Recherchen zu dem Buch hörte ich, daß eine Frau dort Eisenhower gesehen haben will, wie er sich mit Reich getroffen habe. Sie gehörte zu der Gruppe von Leuten, die Eisenhower auf seinem Ausflug begleiteten, vielleicht gehörte sie auch zu den Leuten in Maine, von denen einer Reiseführer war. Das wäre doch phantastisch, nicht wahr, dann hätte Reich ja Recht gehabt, daß Eisenhower tatsächlich Interesse für ihn zeigte. Das wäre dann alles keine Einbildung nur von Reich gewesen.

Ich ging dem nach, und wie sich herausstellte war das Ganze ein Irrtum seitens dieser Frau. Sie hat die beiden nie zusammen gesehen. Ich fragte anschließend Haggardy, Eisenhowers Pressesprecher.- Nein, halt.- Zunächst einmal schrieb ich noch an die Eisenhower Bibliothek und erkundigte mich dort nach einem eventuellen Fahrten - oder Protokollbuch, wissen Sie, wo sämtliche Eintragungen diesbezüglich gemacht werden, wo praktisch alles über Eisenhower drin steht: wen der Präsident wo, wann und zu welchem Thema empfangen oder gesprochen hat. Ja und Haggary erzählte mir, daß er selber vor Ort gewesen sei und sich an keinerlei Vorfall wie diesen erinnere und daß es. wenn es sich denn tatsächlich s0 zugetragen hätte, auch in den Archiven vermerkt sein müßte. Ich vermute stark, daß man diesen gesamten Abschnitt aus gutem Grund aus den Unterlagen hat verschwinden lassen. Ich nehme also an, daß da .jemand Alarm geschlagen hat. Wer weiß das schon so genau. Es konnte ja durchaus auch so gewesen sein. Ich sprach vorhin davon, daß einige Dinge im Zusammenhang mit dieser Affäre noch immer nicht aufgeklärt sind, weder durch uns noch durch sie, wenn es überhaupt jemals dazu kommt. Ich kann's nicht sagen.

Könnten sie die Hauptgedanken ihrer Untersuchungen kurz nennen, die Quintessenz in einem Satz zusammenfassen?

Falls es sie nicht erschreckt, das läßt sich nicht in einem Satz sagen. Doch ein paar Höhepunkte lassen sich schon herausstellen. Die ganze Sache begann 1948 und dauerte etwa ein Jahr. Sie lag damals in der Zuständigkeit der FDA-Bundesbehörde von Maine. Soweit, so gut. Die schickten ihren Bericht ans Washington D.C.. Und es geschah gar nichts, wenigstens zwei, drei Jahre passierte nichts. Reich sagte sich, aha, nun habe ich sie also doch überzeugt, daß ich okay bin und sie nichts zu befürchten brauchen und ich letztlich doch kein Spinner bin. Sie hielten Reich nämlich für einen ausgemachten Spinner und glaubten, Reich führe Buch über sein Sexualleben und all dieses Zeugs. Reich setzte sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung, dieser reichte Klage gegen sie ein und Reich meinte, das habe seine Wirkung gezeigt, was aber nicht so war. Das war auch ein Beispiel dafür, wie sehr Reich seine Umwelt die ganze Zeit verkannt und die Dinge stets zu optimistisch gesehen hatte. Tatsache ist, daß sie derweil noch andere Fälle hatten, jedoch 1952 bekam die FDA mehr Gelder und konnte daraufhin ihre Tätigkeit ausweiten und gedachte jetzt einer Reihe von, wie sie es nannten, Quacksalbern auf die Schliche zu kommen. Dazu rechneten sie auch den Fall Reich. Also wurden 1952 die Ermittlungen fortgesetzt, nur nicht mehr von einer örtlichen Behörde, sondern vom Washington D.C. höchst persönlich. Und zwei Jahre später, wie sie vielleicht wissen, wurde Klage gegen ihn erhoben. Das war 1954. Verzeihung, Beschwerde wurde gegen ihn erhoben, und Reich reagierte darauf , indem er nicht vor Gericht erschien, sondern den Brief schickte. Und er meinte, der Richter werde diesen schon ernst nehmen, was wiederum für seinen übersteigerten Fehloptimismus sprach. Eine wichtige Sache, die ich in meinem Buch ausführe ist Reichs Realitätsverlust: Er hatte keinen Kontakt mehr zur gesellschaftlichen Realität. Gleichzeitig habe ich versucht eindeutig klarzustellen, daß das nicht heißt, er sei übergeschnappt gewesen. Was seine wissenschaftliche Arbeit betraf, war er auf jeden Fall bei klarem Verstand. Zu seiner wissenschaftlichen Arbeit hatte er ein vollkommen gesundes Verhältnis. Nur mit der gesellschaftlichen Realität, mit den alltäglichen Dingen um ihn herum wußte er so gar nichts Richtiges mehr anzufangen.

Diesbezüglich beruhten seine Ansichten , wie ich meine, auf puren Fehleinschätzungen. Er schickte also diesen Brief, den der Richter nicht ernst nahm. Ich hab das alles in meinem Buch, auch des Richters Antwortschreiben, und dann folgte eine Versäumnisklage. "Versäumnis" bedeutet Reich hatte den Fall verloren, weil er nicht vor Gericht erschien. Und eben weil er nicht anwesend war, konnten Peter Mills und die anderen Leute von der FDA, die Reichs Fall bearbeiteten, aber auch alles in die Klage hineinpacken. Verstehen Sie, sie mußten etwas vorsichtig sein, daß sie nicht völlig mit dem Gesetz in Widerspruch gerieten. Doch denken Sie nur, die Anklage wog verdammt schwer. Sie bezichtigten alle seine Bücher der Werbung für den Orgonakkumulator. Ich nehme an, Sie wissen das, nicht wahr?. Und Reich hatte vermutlich gegen das Gesetz verstoßen indem er die Akkumulatoren zwischen den Bundesstaaten vertrieb. Hätte er deren Vertrieb auf einen Bundesstaat beschränkt und sie nicht über dessen Grenzen hinaus verschickt, hätten sie gar keine rechtliche Handhabe zu seiner Verfolgung gehabt. Er unterlag somit also der Bundesgesetzgebung und dem Bundesgericht. Das ist zum Teil lächerlich, weil etliche seiner Bücher geschrieben waren, bevor er überhaupt die Orgonenergie entdeckte. Doch in der Klageschrift heißt es halt nach wie vor, die Bücher seien von Orgone Institute Press herausgegeben, mit anderen Worten ist es das Wort "Orgon" an dem sie sich störten. Und das trotzdem die Bücher das Wort mit keiner Silbe erwähnen. Sie sind eben bei Orgone -Institute Press erschienen , also stehen sie auch in Verbindung mit dem Orgonakkumulator und machen letztlich auch für ihn Werbung. So war nun mal ihre Auslegung. Auf dieser Grundlage formulierten sie schließlich ihre Beschwerde und veranlaßten gemäß der Anklage, daß die Bücher verboten und später verbrannt wurden.

Das Bundesgesetz gilt demnach nicht in den Staaten oder gilt es in anderer Form?

Ja genau, aber nein, ich meine, jeder Bundesstaat hat seine eigenen Gesetze und Bestimmungen, sie hätten sich darum nicht zu scheren brauchen. Ich weiß nicht, was sonst passiert wäre, hätte sich die Bundesregierung nicht darum gekümmert. Ich weiß auch nicht, ob sich die Regierung des Staates New York von sich aus eingeschaltet hätte. Allerdings wäre Reich der ganze Ärger erspart geblieben, hätte er die Akkumulatoren nicht in andere Bundesstaaten verschickt. Und letztlich hatte er das auch gar nicht vor, bis dann dieses Projekt in Arizona anstand. Dieses Regenmacherprojekt in Arizona, nicht wahr. Und zu dem Zweck, daß Geld für diese Expedition reinkam, war besagter Dr. Silvert die meiste Zeit - zeitweise war er zwar mit dort - die längste Zeit aber war er hier an der Ostküste verblieben; ja und wie anders hätte er Geld ranschaffen sollen als über den fortgesetzten Verleih von Orgonakkumulatoren. Also verschickte er Akkumulatoren. Reich seinerseits beabsichtigte nicht im geringsten, der Anklage, die das ausdrücklich untersagte, zuwiderzuhandeln. Doch Silvert meinte, stur und fanatisch wie er war, die Sache wäre so wichtig gewesen, daß man ruhig gegen das Gesetz verstoßen konnte. Und er machte weiter. Später, als Silvert der Expedition in Arizona einen Besuch abstattete, erfuhr Reich davon, doch der zuckte wohl nur mit den Schultern und sagte nichts weiter dazu. Wissen Sie, Reich selber hätte das nicht gemacht, aber okay er akzeptierte es. Das war also der eigentliche Anlaß, warum man Reich vor Gericht brachte. Das heißt, daß er die vom Bundesgericht gegen ihn erhobene Klage mißachtete und weiter die Akkumulatoren staatengrenzenüberschreitend versandte. Wenn er gewollt hätte, wäre der Prozeß zu verhindern gewesen. Zum Beispiel hätte er sich von Silvert distanzieren können. Es war doch Silvert und nicht er, der es getan hat. Doch offenbar konnte er das nicht, weil er ja das Geld, das er von Silvert für den Verleih der Akkumulatoren bekam, dringend für die Expedition benötigte. Er konnte es nicht ausschlagen. Jedenfalls hätte er sich zum einen auf die Weise aus allen Rechtsstreitigkeiten heraushalten können. Zum anderen hätte er bloß auf die erste Beschwerde vernünftig reagieren und vor Gericht erscheinen brauchen, statt seiner Polemik über Kompetenz oder Inkompetenz der Gerichte, über wissenschaftliche Angelegenheiten im Verhandlungssaal zu befinden.

Nicht war? Doch Fakt ist folgendes: Er hätte hingehen und die Wissenschaft völlig aus dem Spiel lassen und statt dessen die gerichtliche Rechtsprechung anzweifeln können. Er hätte das Material gar nicht vorlegen brauchen und hätte sagen können, daß das Ganze den Rahmen des Rechtssystems sprenge usw. usf. Er tat`s nicht. Hätte er es, hätte es im Ermessen des Richters gelegen zu sagen, ob oder nicht und man hätte zum nächsten Schritt übergehen können. Möglicherweise hätte der Richter die Sache fallengelassen. Als dann aber Reich dem Gericht mit seinen wissenschaftlichen Er- örterungen kommen wollte, blockte der Richter ab und sagte nur, dafür sei es nun wirklich zu spät, das interessiere sie nicht. Für sie sei nur wichtig, ob er die Anklage beachtet oder mißachtet habe. Reich ließ nicht locker, der Richter sagte, das tue hier nichts zur Sache. Wäre Reich hier konsequenter gewesen falls er überhaupt später noch dazu bereit war, hätte er am Anfang viel mehr erreicht, anstatt wegzubleiben. Noch eine andere Sache, die er hätte verfolgen können. Reich hatte doch eine Menge Rechtsanwälte, nicht wahr? Warum befolgte er nicht deren Rat? Er berief sich lediglich auf vertrauliche Prozeßdaten, die er von ihnen bekommen hatte, zog es dann aber vor in seinem gerichtlichen Fall so umzugehen, wie er es schließlich für richtig hielt.

Haben Sie von Peter Mills gehört? Gut, wie sie vielleicht wissen, hatte Reich ihn bevor er Staatsanwalt von Maine wurde, ins Vertrauen genommen. Reich hätte das angeben können, er hat's nicht gemacht.

Laut Reichs Tagebuchaufzeichnungen war Peter Mills bei den Besprechungen dabei, wo es um die Angelegenheit mit der FDA ging. Damit wäre Peter Mills doch disqualifiziert gewesen; ich meine, man kann doch nicht von jemandem vertrauliche Informationen bekommen und diese hinterher gegen selbigen verwenden, stimmt´s ? Dafür hätte er Peter Mills strafen können. Ihn sozusagen suspendieren lassen, seine Zulassung zurückziehen o.ä.. Reich wollte davon nichts wissen. Das wäre aber auch eine Möglichkeit für ihn gewesen, seinen Rechtsstreit beizulegen. Und es gab noch eine letzte Chance die er auch verpaßte. Und letztendlich kam die Sache vors Schwurgericht, wo Reich als sein eigener Verteidiger auftrat. Er verfluchte die Geschworenen und beschimpfte den Staatsanwalt wegen der FDA.. Ich war dabei, als er am Ende des Prozesses wahrlich seltsame Dinge sagte. Er sagte: "Überall wo ich mich mein Leben lang hinwende stoße ich auf verschlossene Türen". An zwei Dinge, die er sagte, erinnere ich mich, und das ist eins davon. Interessanterweise fehlen diese Beschimpfungen in Reichs Prozeßakte. Fragen Sie mich nicht warum, ich weiß es nicht. Am Schluß seiner Ausführungen seines Plädoyers sagte er vor den Geschworenen: "Verzeihen Sie, wenn ich im Unrecht bin und das folgende besser nicht sagen sollte, möchte ich doch, daß die Herren Geschworenen wissen, daß es mich gefreut hat, die letzten paar Tage hier gewesen zu sein und in derart aufgeschlossene und ehrliche Geschworenengesichter geblickt haben zu dürfen" . Sowas zu sagen - ich finde das schon seltsam, muß ich sagen. Zumal diese Geschworenen nicht gerade den Eindruck erweckten, als wären sie aufgeschlossen und offen. Danach zog sich das Schwurgericht für fünfzehn Minuten zurück, um das Urteil zu fällen. Und Reich war schockiert, als er das Urteil hörte. Er hatte wirklich geglaubt, er würde rehabilitiert, nicht wahr? Und dann verließ er den Gerichtssaal und draußen im Foyer-, wurde er umringt von seinen Anhängern, wirkte ziemlich abgespannt und glaubte, daß sich vor seinen Augen ein Skandal abgespielt hätte.

Aber was war denn passiert? Das war im Mai '56, und dann wurde er verurteilt. Ich weiß nicht mehr genau, ich glaube ungefähr eine Woche danach. Ja , und das Urteil war gepfeffert, nicht wahr, zwei Jahre Gefängnis. Silvert bekam ein Jahr und einen Tag, die Wilhelm-Reich-Stiftung mußte eine Strafe von 10.000 $ zahlen. Die war auch saftig. Reich ließ sich auch hiervon nicht aus der Ruhe bringen und wandte sich an die nächst höhere Gerichtsinstanz, um Berufung einzulegen. Die bestätigten das Urteil, Reich wandte sich ans Oberste Gericht. Der Oberste Gerichtshof lehnte eine Urteilsrevision ab und Reich konnte nichts mehr tun. Es kam also der Tag, an dem Reich erneut vor Gericht stand. Und interessant dabei ist, daß der Hilfssherif Doherty, so hieß er, Reich kannte. Er war in dieser Gegend zu Gange und hatte Reichs Arbeitspapiere zuvor schon eingesehen, aber er war sehr freundlich zu Reich. Ich interviewte ihn in Portland, er war ein sehr anständiger Mensch. Er entschuldigte sich sogar bei Reich, daß er das tun müsse, legte ihm die Handschellen an, und Reich sagte, das wäre okay, er hätte auch nur seine Pflicht zu erfüllen. Und er erzählte mir, daß er Reich und Silvert ins Bundesgefängnis von Connecticut gefahren habe. Den Namen des Gefängnisses habe ich leider vergessen. Und Reich und Silvert hinten im Auto sitzend, mit angelegten Handschellen hätten sich auf der Fahrt nach Connecticut über Witterungsbedingungen unterhalten, die Landschaft betrachtet und an verschiedenen Bäumen die Auswirkungen toter oder erstarrter Orgonenergie (DOR) festgestellt. Reich war dann wohl so zwei Wochen in diesem Gefängnis, dessen Name mir jetzt nicht einfallen will. Der Richter war ihm sehr zugetan. Haben Sie Ilses Buch gelesen? Erinnern Sie sich an die Stelle, wo sie sagt, während der Verhandlung habe der Richter sie hereingerufen und sie gefragt, warum sie für Reich nicht auf "geistesgestört" setzen wollte. Und sie habe keinen anderen Ausweg gewußt, seine Inhaftierung abzuwenden. Letzteres hänge von einem psychiatrischen Gutachten ab. Er bekam solch ein Gutachten erstellt. Silvert wurde ebenfalls einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen. Nun, Silvert wurde für gesund erklärt und bekam lediglich eine Diagnose unter der Bezeichnung "folie à deux " (Beziehungswahn). Sprechen Sie Französisch? Eben eine unbedacht begangene Dummheit. Reich hingegen schätzte man als krank, nicht normal ein. Ich sprach mit dem Gefängnispsychiater in Connecticut, und der sagte: "Oh ja, ich habe Reich in dem Zimmer untersucht, mit ihm gesprochen..." Er war seinerzeit ein noch junger Psychiater der von Reich als dem großen Mitarbeiter von Freud gehört hatte, und es wäre ihm höchst unangenehm gewesen, mit dieser Untersuchung betraut worden zu sein und ein solches Gutachten zum geistigen Zu- stand Reichs erstellen zu müssen. Dann hörten sie ein Flugzeug, Reich schaute aus dem Fenster und sagte: "Sehen Sie das Flugzeug da? Das ist Eisenhower, er hält nach mir Ausschau." Darauf die verzweifelte Frage des Psychiaters "Was hätte ich tun können? Ich meine, das war schon ganz schön verwirrend. Er (der Psychiater) sagte: " Das war pure Absicht von ihm, ich sollte denken, er wäre verrückt. Und dann kriegte ich plötzlich mit, daß er das in vollem Ernst gesagt hat."

Daraufhin bekam Reich diese Diagnose, ich weiß nicht mehr, was ihr genauer Wortlaut war, doch wurde er für nicht normal und verhandlungsunfähig erklärt. Die Unterlagen habe ich, von der FDA. Als Peter Mills davon erfuhr, bekamen sie es mit der Angst, daß drei, vier Jahre umfangreicher harter Arbeit umsonst und wertlos würden, nur weil am Ende einer unter ihnen geistig nicht zurechnungsfähig ist. Insbesondere war es Mills , der sich in unzähligen Briefen an verschiedene Gefängnisbehörden und Washington D.C. wandte, woraufhin Reich ins Gefängnis nach Lewisburg im Bundesstaat Pennsylvania überführt wurde. Dort wurde er noch mal untersucht. Diesmal aber lautete die Diagnose: völlig gesund. Man habe zuviel Druck auf ihn ausgeübt, den habe er nicht mehr ausgehalten.

Bleibt aus unserer Sicht zu fragen, was nun besser war. Wäre es besser gewesen, Reich für verrückt zu erklären und ihn aus dem Gefängnis zu entlassen, oder was meinen Sie? Ich weiß nicht, da war doch überall dieses Gerücht im Umlauf. Ich glaube, ich habe es von Myron Sharaf gehört, daß Reich höchst selbst darum gebeten habe.

Daß man ihn für gesund erklärte?

Ja natürlich, weil über seine geistige Unzurechnungsfähigkeit überall gemunkelt wurde. Stellen Sie sich vor, die Ansicht, Reich wäre verrückt gewesen, hätte sich durchgesetzt wäre es ein leichtes gewesen, sie alle fallenzulassen.

Herskowitz erzählte uns dieselbe Geschichte, daß Reich selber einmal zu ihm gesagt haben soll, Eisenhower würde nach ihm sehen, sobald ein Flugzeug zu hören war. Herskowitz erzählte ihm, er würde das nicht denken. Orgonon würde an einer Flugroute liegen. Reich sagte dann darauf: "Das ist möglich". Und dann machte er weiter mit seiner Arbeit. Und Herskowitz sagte, daß jemand, der psychotisch sei, sich niemals von seiner Meinung abbringen - sondern sie energisch und unnachgiebig verteidigen würde.

Wissen Sie, daß die Übliche, allgemeingültigen Kategorien und Theorien zur Beurteilung des Geisteszustands eines Menschen keineswegs auf Reich anzuwenden sind. Bei so einem Genius, wie Reich einer war, da fallen die doch völlig raus. Auf eine Art war er schon unglaublich weltfremd, d.h in seiner Vorstellung, daß er der Anführer einer Armee wäre, die gegen Ufos u.s.w. kämpfe. Aber die normalen psychotischen Kriterien für eine Diagnose treffen so einfach nicht zu.

Eine andere Sache noch, wenn Sie gestatten. Als ich also mit dem Psychiater sprach, Hubbard war sein Name,- da zeigte ich ihnen die Unterlagen von Washington D.C, die darin seine vollkommene geistige Gesundheit bescheinigten. Ich sagte: "Finden Sie das in Ordnung? Sie behaupten hier, er wäre nicht normal und stellen ihm diese Diagnose. Die in Lewisburg aber behaupten ganz was anderes?" Und ich krieg von ihm zur Antwort: "Na klar ist mir das aufgestoßen, ich habe die auch angerufen und gefragt, ob es damit seine Richtigkeit habe, und die antworteten mir, oh natürlich wüßten sie, daß der noch viel verrückter als ein Fruchtkeks sei, das wäre aber von oben so entschieden worden und ich solle es vergessen."

Und die wußten das?

Ja klar wußten die das. Müssen sie auch, bei dem Druck, den man ihnen gemacht hat. Die Unterlagen enthüllen zudem, daß Mills und die FDA mit den Gefängnisbehörden in Verbindung getreten waren und diesen Fall vorgebracht hatten, und an ein Dokument erinnere ich mich genau. Wer es verfaßt hat, weiß ich nicht mehr, aber darin hieß es: So und so, die Gefängnisbehörde verstehe sehr wohl, was wir gesagt hätten. Sie sehen also erst auf diesen Druck hin wurde eine derartige Diagnose erstellt und sie entsprach nicht unbedingt auf Treu und Glauben den Kriterien eines psychiatrischen Gutachtens. Aber dennoch bin ich mir nicht sicher, was wohl besser für ihn und seine Arbeit gewesen wäre. Stellen Sie sich ein Gutachten vor, das ihn für verrückt erklärt hätte, das wäre doch verheerend gewesen nicht wahr? Zumal er bereits inhaftiert war-, denke ich schon, daß das einzig Richtige für ihn war.

War Mills zu dem Zeitpunkt als die FDA den Fall einzuleiten begann, bereits in der Sache verwickelt oder nicht?

Nein. Mit den Vorermittlungen in den Jahren '48-49, wie ich es nenne, hatte er noch nichts zu tun. Er war Reichs Berater, gehörte aber nicht zur Bundesregierung. Später erst, in den 50er Jahren, bekam er offensichtlich diesen Posten.

Können Sie irgend etwas dazu sagen, warum man sich letztendlich entschied, den Fall vorzubringen bzw. zu verfolgen, und zwar nachdem 1951-52 die Sache für die FDA-Bundesbehörde interessant geworden war?

Wie kam es, daß sie schließlich meinten, Reich gehöre mit den anderen zusammen zum Kopf dazu?

Ich sprach mit jemandem, der zu der Zeit bei der FDA war und der sagte eben auch daß es nur eine kleine unbedeutende Aktion war. Wie viele Leute daran beteiligt waren, wieviel Geld im Spiel war, nimmt sich im Vergleich zu einigen anderen echten medizinischen Skandalen oder Betrügereien ziemlich mickrig aus. Desweiteren sagte er, er wisse nicht so genau, warum das zu der Zeit damals nicht zu Papier gebracht wurde. Zudem hätten sich viele Psychiater und Mediziner schriftlich über Reich und dessen Arbeit beschwert und wollten der Sache nachsehen, sodaß die sich zu einer Überprüfung solcherlei Schriften veranlaßt sahen. Schuld war demzufolge nicht etwa eine Riesenoperation, sondern Reichs enorm große Gegnerschaft. Ungeheuer viel Druck übten die auf sie aus, Unmengen von Briefen gingen ein, die sich gegen Reich richteten. Die Sache fing damit an, daß, wie war gleich ihr Name? Mildred Brady, daß Mrs Brady all diese Artikel verfaßte. Damit wurde die Regierung überhaupt auf Reichs Tun aufmerksam. Daneben waren es Leute von der nationalen Psychoanalytischen, Psychiatrischen und Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft, die sich mit ablehnenden Schreiben gegen Reich an die Regierung wandten. Das alles trug dazu bei, daß man sich Reichs Fall herausgegriffen hat.

Und zu welchem Zeitpunkt wurde nun Mills ins Geschehen eingeschaltet ?

Mills trat auf den Plan, wie ich schon sagte, wohl nach den drei Jahren, die die FDA Reich in Ruhe gelassen hatte. Also nach dem Zeitraum 1949-52 und zum Jahre 1952 hatte Mills..... Halt, einen Augenblick. Das war das Jahr, als die FDA den Fall wiederaufnahm und ihre Ermittlungen einleitete und danach flatterte uns dieser Brief ins Haus, der sich als ein wahrer Glücksfall herausstellte. So erfuhren wir nämlich, daß Peter Mills, der Reich persönlich gekannt hatte, zum Staatsanwalt von Maine ernannt worden war. Wunderbar. Also nahmen sie jetzt Verbindung zu Mills auf, was nicht ausdrücklich dasteht, sondern nur zwischen den Zeilen. Ich vermute, daß es Mills im Augenblick seiner Ernennung furchtbar peinlich war, weil er vormals mit Reich zu tun gehabt und ihn auch ernst genommen hatte. Nun wollte er diesen wunden Fleck der - Vergangenheit aus seiner Karriere tilgen und nahm Rache an Reich, daß er am Ende gut dastand. Zur gleichen Zeit aber erzählte er mir, daß irgendwann 48/49 ihm Reich telefonisch mitteilte, er solle ein Affidavit (eine eidesstattliche Versicherung oder- Erklärung) zur Funktion des Orgonmotors vorbereiten. Ich machte ein Interview, bei dem er sagte: "Oh ja, dieser Motor erreichte sechzig Meilen in der Stunde."

Sie sehen, er hatte die Sache mit dem Orgonmotor völlig ernst genommen. Er war halt ein schleimiger Typ. Auch Ilse erzählte ihnen einmal, sie habe gehört, als Kind soll er ein Schleimer gewesen sein. Das war Peter Mills ganz bestimmt "Sneaky beat"- das sagt man so in Amerika. «Sneaky« Sie kennen diesen Ausdruck? Jemand, der unehrlich, ein Kriecher, Heuchler ist usw. In einem frühen Dokument, als die Angelegenheit um Reichs psychologisches Gutachten anfing, äußerte er sich dazu: "Ah ja, das ist doch nicht normal, diesen ganzen Quatsch kann doch keiner ernst nehmen." Jedoch nach der offiziellen Verlautbarung durch den Gefängnisarzt von Denburry, Reich sei geistig nicht normal, hörte sich das bei ihm plötzlich so an. "Ich war mit Reich so viele Jahre zusammen und habe an ihm nie irgendwelche Anzeichen einer geistigen Störung festgestellt ...." etc.. Seine Aussagen dazu waren so widersprüchlich, Reich bezeichnete ihn als "die Judaszahnfäule des 20. Jahrhunderts" . Sie wissen, was mit «Judaszahnfäule« gemeint ist? Bei dem Interview mit Mills war sein Sohn gerade da. Ich erzählte ihm, weswegen ich hier sei; wirklich ein netter Junge. Schneid hatte der, und wollte in die Juristerei, gerade von Yale abgegangen . Er legte seinen Arm um des Vaters Schultern: ... "wir haben es hier also mit dem Judasschen Kariesbefall im zwanzigsten Jahrhundert zu tun ...."

Der Junge hatte wirklich einen Sarkasmus, nicht ? Dabei sah Mills so nett aus. Bevor ich ihn kennenlernte, wissen Sie, las ich alles über ihn. Und warum ich "schreckliche Person" sagte, liegt daran, daß ich wirklich dachte, ich bekomme ein wahres Monster von einem Kerl zu Gesicht. Und da steht dann dieser etwas schwerfällige, gemütliche, sympathisch lächelnde Typ vor mir . Ich erinnere mich, wie ich das Myron mal erzählte und der mir sagte: " ja, ja, das sei eben unter dem banalen oder unscheinbaren Charakter des Bösen zu verstehen."

Haben Sie diesen Begriff schon mal gehört? Banaler Charakter des Bösen?. Ich weiß nicht, ob Sie von einer nach Amerika emigrierten Autorin namens Hannah Arendt schon mal was gehört haben. Sie schrieb ein Buch "Eichmann in Jerusalem", stimmt´s? Da sagt sie, Eichmann sah auch aus wie ein gewöhnlicher Bürokrat, schmaler Horizont und trotzdem hatte der solch ungeheuerliche Dinger drauf. Sie nannte das den banalen Charakter des Bösen - Banalty of evil. Banal heißt einfach nur doof, dümmlich, nichts dahinter. Okay. Wenn also jemand einen banalen Charakter hat, erwartet man solche ausgesprochen feisten Typen, nicht wahr, und dann sind das meistens ganz gewöhnliche dumme Leute, halt Bürokraten, die bekanntermaßen nichts kapieren. Die haben von nichts eine Ahnung. Und Myron meinte, das träfe auf Mills zu. Ja, das stimmt, denn dem Kerl sah man den miesen Type wirklich nicht an.

In diesem Film von Meller Marcovicz? Haben Sie die Szene noch in Erinnerung, wo Mills seinen Wagen fährt? Meller -Marcovicz zitiert da aus der offiziellen Prozessakte. Und sie zitiert, was Reich Mills über dessen Verhältnis zu ihm gefragt hat. Er antwortete darauf, daß er Reichs Familie nie gekannt und nie eine Beziehung zu ihr gehabt habe.

Oh ja, das ist eine infame Lüge.

Im Auto dann erkundigte er sich bei ihr nach Peter. Nach Ilse, was die jetzt wohl machen würde....Und er sagte "werden Sie Ilse Ollendorf ausfindig machen? Ich weiß nicht wie sie das aufnehmen wird, aber richten Sie ihr schöne Grüße von mir aus, wenn Sie sie sehen. Ich habe angenehme Erinnerungen an sie."

Auch beim Prozeß sagte Reich vor Gericht, daß er ein Freund der Familie gewesen sei. Warum er sich ganz und gar auf die andere Seite geschlagen habe, warum er nicht ein einziges Wort für die andere Seite eingelegt habe? "Aber Sie waren doch ein Freund oder nicht?!" "Nein, war ich nicht", war die Antwort, worauf der Richter sagte: "Wo standen Sie dann? " "Mag sein, daß ich mal eine Tasse Kaffee mitgetrunken habe, als ich da mal reinschaute". (Gericht: "Mit Milch und Zucker" - Reich: "Genau") Es war aber mehr zwischen ihnen gewesen. Ilse erwähnte in ihrer Biographie, daß er schnell mal vorbeikam und für eine Weile blieb. Er mochte Reich, wissen Sie, und er war beeindruckt von seiner Arbeit. Als er dann aber Staatsanwalt werden sollte, mußte er sich davon lossagen, weil es für ihn und seine Karriere wohl nicht mehr gut war.

Können wir jetzt das Kapitel zu Reichs letzten Worte zu den Geschworenen abschließen?

Ja. Ich sagte ja, es hat mich ganz schön verblüfft, was er da äußerte. Sowas sagt man besser nicht, aber es war typisch Reich, nicht wahr? Irgendwie schien er dem Prozeßverlauf gar nicht zu folgen, er fand die Leute sympathisch. Er hatte sehr menschliche Züge, war sehr umgänglich in seiner Art, wie er sich auf einer menschlichen Ebene mit den Leuten auseinandersetzte. Doch der Prozeß war alles andere als das. Der Prozeß bestand nicht aus menschlichen Wesen, sondern verfolgte ausschließlich gesetzliche Prinzipien. Nach der zweiten Verhandlung, zu der ersten war Reich ja bekanntlich nicht erschienen, da begann der Prozeß. Nun, das war ein erster Schritt, sozusagen. Die erste Amtshandlung des Gerichts war die, als Reich auf die Be- schwerde reagieren sollte und nicht erschien.

Diese Beschwerde betraf das Verbot über den Versand von Orgonakkumulatoren?

Nein, das, meine ich, ist eine ganz andere Geschichte. Sie zitierten Reichs Worte, wonach er eine Krebsheilmethode gefunden habe. Nicht wahr? Danach habe er den Tumor aufgelöst und die betreffende Person von ihrem Krebsgeschwür in der Leber geheilt usw. Und darin werden Stellen aus "Der Krebs" angeführt. Wenn Sie aber einen Satz weiter lesen, wo es um den nach einer bestimmten Untersuchung verstorbenen Patienten geht, wo Reich schreibt, daß besagter Patient danach nur noch eine Woche gelebt habe. Das haben die rausgelassen. Zur Beantwortung des Beschwerdeschreibens hätte Reich nicht mal den wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt seiner Arbeit nachzuweisen, sondern lediglich auf die Verlogenheit des Schreibens zu verweisen brauchen. Es wäre für ihn so einfach gewesen, die Beschwerde der Lächerlichkeit preiszugeben. Doch als er dann aber nicht darauf reagierte, nicht wahr, reagierten die ihrerseits mit einer neuerlichen Klage. Diese wiederum stellte den Versand von Orgonakkumulatoren unter Strafe.

Die Bücher wurden aber nicht verboten?

Aber ja ! Die wurden verboten. Er durfte auch keine Bücher verkaufen. Weil die Bücher Reklame machten, nicht wahr. Er hätte diese Bücher nur dann verkaufen können, wenn da keine Orgonakkumulatoren mehr im Umlauf gewesen wären. Danach hatte ich die Leute von der FDA ebenfalls gefragt.

Also angenommen, Reich hätte keine Bücher mehr verkauft oder Orgonakkumulatoren verschickt, glauben Sie, dann hätte das Bücherverbot weiterbestanden?

Bei der Behandlung dieser Frage hielten die sich unglaublich bedeckt und reserviert Sie waren offensichtlich der Ansicht, die Bücher machten Reklame; ich meine, rechtlich gesehen müßte doch aber, wenn sie dieser Auffassung waren auch ein Produkt, für das die Bücher angeblich warben, existiert haben. Andernfalls konnten sie sowas nicht einfach behaupten. Sie wanden sich heraus, indem sie sagten: 'Naja, kann man´s wissen, ob da nicht doch noch ein paar Orgonakkumulatoren irgendwo im Umlauf sind; in dem Fall würde das ja zutreffen. Und deshalb meinen wir, daß es für ihn, auch wenn er nicht mehr in diesem Geschäft drin ist, über das Presseorgan des Orgoninstituts trotzdem ein Problem sein dürfte, weiterhin diese Bücher zu vertreiben, was nun in der Tat verfassungswidrig ist. "

Was für uns in der heutigen Situation wichtig ist zu wissen ist, ob die Bücher von Reich heute immer noch verboten sind ?

Nein, sind sie nicht., weil heute keiner mehr im Orgonakkumulatorengeschäft ist Zumindest sind es die Leute vom Amerikanischen College für Orgonomie und um Mrs. Higgins, die Reichs Bücher herausgeben. Sie vertreiben bzw. verleihen keine Akkumulatoren mehr. Sehen Sie, die Anklage sollte merkwürdigerweise in erster Linie nur ihn persönlich treffen nebst ein paar bestimmten Leuten, also Reich, Ilse, vielleicht noch Dr. Silvert und die Wilhelm Reich-Stiftung. Ilse lebt noch, macht aber nicht mehr diese Art von Arbeit; die Wilhelm Reich - Stiftung gibt es nicht mehr und die anderen beiden sind gestorben, d.h. die Bücher dürfen wieder erscheinen, ohne Einschränkung.

War es der Name «Orgon« weshalb ihnen die Bücher über den Orgon- akkumulator suspekt waren?

Ich würde sagen ja. Weil eigentlich niemand, d.h. die Leute, die dieses Buch herstellen und veröffentlichen, haben nichts mit dem Vertrieb der Akkumulatoren zu tun. Orgontherapeuten allerdings dürfen das Gerät nicht in ihren Praxen stehen haben bzw. benutzen, genauso nicht den DOR-Buster, ich glaube, Dr. Baker erzählte mir das. Das wissen Sie sicherlich... Nun, sie setzten diese Geräte immer mal früher ein, insbesondere den DOR-Buster, und mußten sie hernach entfernen. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, ist es doch so gewesen. Aufgrund des Wortes «Orgon« durften bzw. sind die Bücher ja verboten worden?

Das bloße Auftauchen des Wortes «Orgon« war demnach der Grund für die Verbrennung der Bücher oder?

Ja. Ja sicher. Und wenn Sie "Der Krebs " hernehmen, darin ist von der Orgonenergie die Rede; auch in Funktion des Orgasmus, nämlich am Ende dieses kurzen Kapitels, wo er über die Orgonenergie spricht. In "Die sexuelle Revolution" hingegen wird sie nicht erwähnt. Wie sieht es mit einigen früheren Werken aus? In "Der Einbruch der Sexualmoral " steht nichts davon drin. In der ersten Ausgabe der "Charakteranalyse" auch nicht.

Wenn später Orgontherapeuten den Begriff "Orgon" intern anwandten, gab es für die dann keine Probleme?

Ist kein Problem, weil sie keine medizintechnischen Geräte staatsgrenzenüberschreitend vertreiben.

Und sollten heutzutage Orgonakkumulatoren oder Orgondecken auftauchen, wovon lch weiß, daß es sie gibt, so ist das kein rechtliches Problem für Leute, die die Bücher verkaufen. Sie sind nicht diejenigen, die die Orgonapparate herstellen. Würden sie diese Geräte mit herstellen, glaube ich, bekämen sie....., wobei ich mir gar nicht so sicher bin, weil doch die eigentliche Anklage, wie ich schon sagte, sich merkwürdigerweise gegen ihn richtete. Die FDA müßten sozusagen die ganze Rechtsprozedur wieder von vorn aufrollen und gegen diese neuen Leute erneut Klage erheben. Gegen die Buchverleger haben sie jedoch keine Chance anzukommen. Nicht wahr, schauen Sie, wer sind denn die Verleger: Farrar, Strauß & Giroux, ein großer Verlag in den Vereinigten Staaten. Sie werden wohl kaum auf die Idee kommen, Orgonakkumulatoren und -decken herzustellen und zu vertreiben. Der Regierung sind also die Hände gebunden.

Mit anderen Worten sind der Gebrauch und die Herstellung von orgontechnischen Geräten nun verboten oder nicht?

Ich muß gestehen., daß ich in diesem Zusammenhang etwas nicht verstehe. Es gibt da so eine Art neues Gesetz, ich weiß nicht mehr, was es war. Ich erinnere mich, Dr. Baker erzählte mir davon. Nach diesem Gesetz war er genötigt, den DOR-Buster aus seinem Praxisbüro herauszunehmen und künftig darauf zu verzichten. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß das mit der ursprünglichen Anklage zusammenhängen soll.

Es gibt da noch etwas anderes, das sich jemand hat einfallen lassen, was mir nicht einleuchten will und worum ich mich nie richtig gekümmert habe. Zum Beispiel was Sie sagten, daß einzelne Leute Akkumulatoren und Decken herstellen, dafür werben, sowie für verschiedene Zeitschriften und daß die Regierung nichts dagegen unternimmt.

Könnten Sie sich vorstellen, daß es von staatlicher Seite genauso noch geahndet würde, wie zu Reichs Zeiten? Seitens der Bundesregierung? Von seiten der FDA oder jemand anderem?

Nein, ich denke nicht

Gibt es irgend welche Anzeichen, Versuche? In den 60er Jahren wurden die Bücher ein weiteres Mal verbrannt.

In den 60ern, ein zweites Mal? Sie wurden gleich mehrere Male verbrannt. Die Verbrennung fand in Maine statt. Reich machte dort ein Feuer. Haben Sie Peter Reichs "Book of Dreams "gelesen. Peter beschreibt es da so plastisch und so bewegend - Später wurden sie noch einmal verbrannt, diesmal in New York City. Eine Riesenladung schluckte die Verbrennungsanlage. Dann kam noch Mary Boyd Higgins und vereinbarte, daß die Regierung ihren Keller leerräumte, die dort gelagerten Bücherbestände mitverbrannte. Sie hatte keine Lust noch länger für die Lagerkosten aufzukommen. Einige Jahre darauf nahmen Farrar, Strauß & Giroux die Werke in ihr Verlagsprogramm auf. Die Regierung konnte nichts dagegen tun. Man muß auch bedenken, daß in der Zwischenzeit sich die gesamte politische Lage gewandelt hatte. Denn Reich wurde verfolgt als noch die McCarthy-Ära herrschte. Während dieser Zeit wurden die Bürger um viele ihrer Rechte beschnitten. Es mutet zudem fast wie eine Ironie an, daß Reich, wie Sie wissen zum überzeugten Antikommunisten wurde. McCarthy war der geborene Antikommunist und selbst Reich unterstützte sogar McCarthy bis zu einem bestimmten Grad. Er sah in McCarthys Haltung eine gewisse Rechtschaffenheit und bemühte sich ständig darum, die Regierung von seiner Einstellung zu überzeugen: "Ich bin kein Radikaler, ich bin kein Kommunist. Mag sein, daß ich es irgendwann mal war aber das ist vorbei.

Ich denke, Eisenhower ist das Größte, was den Vereinigten Staaten passieren konnte. Rußland ist meiner Meinung nach das Schlimmste, was der menschlichen Rasse jemals zugestoßen ist." Er fühlte sich immer so, als hätte er die Folgen des Kalten Krieges auszubaden, dachte, die Orgonenergie wäre die Antwort auf den Kalten Krieg. Dachte, die Russen, oh mein Gott, die Kommunisten hätten sich zu Hauf in die FDA eingeschleust. Letztere bekäme ihre Order von Moskau und sollten seine Operation zunichte machen, weil sie befürchteten, aus der Orgonenergie könnte eine geheime Waffe entstehen, die dann im Kalten Krieg aus einer ungünstigen Position heraus von den USA gegen sie verwendet werden konnte.....Und Tatsache ist, daß Reich selbst der vollkommen irrigen Auffassung anhing, Feinde habe er doch keine. Aber sehr wohl hatte er welche. Die Amerikanische Medizinische Gesellschaft, die ich vorhin erwähnte oder die Psychiatrische und Psychoanalytische Gesellschaft u.a.. Was ich noch anmerken wollte, ist das interessante Dilemma, in dem Reich steckte. Daß Reich Ärger bekam und im Gefängnis landete, lag einerseits an der herrschenden Atmosphäre der McCarthy-Ära, dem Antikommunismus und den paranoiden Zuständen dieser Zeit; andererseits aber trug er selber diesen amerikanischen Ableger der Paranoia und der verschärften antikommunistischen Hetze grundlegend mit. Um aber diese andere Frage zu beantworten würde ich meinen, daß die Regierung aufgrund der veränderten gesamtpolitischen Lage jetzt nicht mehr mit den McCarthy-Methoden der 50er Jahre zu Werke gehen kann. Sie würden damit nicht mehr durchkommen.

Also wenn ich das richtig verstanden habe, meinen Sie, heute würde sich keiner mehr dafür so interessieren? Was ist aber aufgrund dieser Rückmeldung, die es da gibt? Auf dieser richterlichen Grundlage war es also bestimmten Personen untersagt Orgonakkumulatoren zu benutzen oder zu vertreiben?

Ja, bestimmten Leuten..

Das heißt, andere Leute durften?

Das ist anzunehmen, das wurde halt nie überprüft. Reich versuchte, das heraus- bzw. klarzustellen. "Ja", sagte er vor Gericht aus, "Orgonakkumulatoren sind während der Laufzeit der Anklage verschickt und verkauft worden- ich hatte aber nichts damit zu tun. Silvert hat sie vertrieben"

Silvert seinerseits stand auf und sagte:"Ja, ich war's " Reich übersah allerdings dabei, daß er das Geld aus diesem Vertrieb bekam, daß Silvert das im Prinzip für ihn getan hat. Somit müßte das jemand sein, der mit der Anklage und mit Reich und Reichs Leuten aus dieser Zeit absolut nichts zu tun hatte, auch wenn man es in der Anklage auf ganz bestimmte Leute nur, und Reich in eigener Person abgesehen hatte.

Ja, denn uns wurde auch hier gesagt daß das, was wir in Deutschland täten, in den USA ausgeschlossen wäre, d.h. Orgonakkumulatoren bauen,- in aller Offenheit. Was sind denn nun wirklich echte Gefahren, jetzt nicht für uns, sondern für Leute, die für die Orgonomie arbeiten?

Ah ja, ich verstehe. Ich denke, da sind keine. Tatsache ist, daß Leute orgontechnische medizinische Geräte herstellen und vertreiben und sogar in unkonventionellen Zeitschriften dafür Werbung machen. Heutzutage würden Leute, vorausgesetzt die Regierung wäre dann wirklich an einer gerichtlichen Verfolgung interessiert, nicht mehr ins Gefängnis kommen.

Als wir vor zehn oder dreizehn Jahren mit dem Bau von Akkumulatoren anfingen, wußte so gut wie keiner oder nur wenige über ihre Anwendung Bescheid, z B wie sie funktionieren, wie man sie am besten baut. Wir mußten uns das entsprechende Wissen erst aneignen und Dr. Hoppe instruierte John Trettin darin, wie man sie baute. So hofften wir, sie könnten uns was darüber erzählen. In Deutschland wurden sie sogar mit Aluminium gebaut

Man baute sie aus Aluminium?

Ja, Aluminium. Und viel zu groß und zwar nach den ersten Fotos von Reich, die er herausbrachte und wirklich, das waren solche Riesenkästen. Wir schauten uns die Orgonakkumulatoren von Kelly und Lowen an, die sind echt so klein wie unsere. Je kleiner sie gebaut werden, desto größer ihr Effekt. Entsprechend den Körpermaßen, dem Körperprofil. Also weiß man selbst in Amerika viel weniger über den Orgonakkumulator Bescheid, und sogar unter Reichianern.

Viel weniger?

Sie wissen nicht einmal wie er funktioniert und welche Gefahren es dabei gibt. Sie sind einfach nicht in Gebrauch.

Wir haben uns den von Neil Snyder angesehen, der seine Wirkungsweise wissenschaftlich untersuchte und definitive Ergebnisse dabei erzielte, doch der Akkumulator ist ungünstig konstruiert. Er wirkt langsam und nur schwach.

Sie sollten mein Buch gelesen haben, das so eine Art Funktionsplan enthält. Es kommt direkt vom Orgoninstitut, von der Wilhelm Reich-Stiftung.

Neill Snyder hatte die Unterlagen jemandem gegeben, der ihn für ihn baute und offensichtlich eine Menge davon mißverstanden hat. Selbst Boadella, kennen Sie ihn. Er fertigte eine Übersetzung ins Deutsche an, weil, er spricht Englisch und Deutsch. Ich weiß nicht, ob er die hat machen lassen oder er selbst die gemacht hat, jedenfalls benutzte er außen Sperrholz, festes Holz für die Außenwände des Orgonakkumulators, das heißt, die Wirkung ist wesentlich schlechter...

Ich benutze Celotex. Meinen Sie Holz ist nicht so günstig. Ich dachte immer, sie würden Celotex nehmen weil Holz schwerer ist und zu wuchtig..........

Welches Experiment haben Sie ausprobiert? Die Temperaturmessung? Haben Sie auch jemals den Temperaturmeßversuch gemacht? Wissen sie darüber etwas? Wissen Sie, als ich mein Buch schrieb ging ich zum Leiter des Bereichs Physik an unserem College und erzählte ihm etwas über Reich und ich fragte ihn ob er einen Versuch mit einem Orgonakkumulator so aufbauen könnte, daß wir dessen Innen- und Außentemperatur messen können. Und ich würde unabhängig davon, was dabei herauskäme die Ergebnisse in mein Buch aufnehmen. Ein Versuch zur vollständigen Beweisführung. Darauf er: am besten wäre es, wir nehmen einen Orgonakkumulator und eine Box und vergraben es im Erdboden unterhalb der gefrorenen Schichten. Sie wissen was damit gemeint ist? Die Temperatur ändert sich weil wir achtzehn, neunzehn Zoll tief unter die Erde gehen. Und dann das Thermoelement anschließen, um einen konstanten Temperaturwert ablesen zu können, vielleicht sogar in einem Diagramm.

Schließlich sagte er: "Wenn dann da tatsächlich eine Differenz auftaucht würde mich das schon beunruhigen." "Gut" sagte ich, "können wir diesen Versuch aufbauen, hätten Sie was dagegen, wenn wir das hier jetzt mal machen?'" "Ja" sagte er, "sicher, können Sie das." Er rief also den Labortechniker herein und der sagte nur: "Oh, Prima."

Einmal wöchentlich rief ich diesen Labortechniker sechs Monate lang an: "Nun, wie kommen Sie zurecht, gibt es irgendwelche Schwierigkeiten?" Nach sechs Monaten sagte ich ihm: "Hören Sie, denken Sie, daß Sie es hinkriegen", und er sagte mir ganz offen: " NEIN !" Ich sprach dann mit Courtney Baker darüber, weil dieses Experiment nie unter dem Gefrierpunkt durchgeführt worden ist. "Meinen Sie", sagte ich, "daß da noch eine Temperaturdifferenz wäre, d.h. ist im Erdboden genug freiwerdendes Orgon vorhanden?" Ja, er wüßte das nicht und meinte, daß der Versuch nicht schlecht wäre.-

Hat Courtney den Versuch dann gemacht?

Soweit ich weiß, nein.

Da gibt es ein Problem, nicht wahr? Wie ich gehört habe, kann man elektrischen Strom gar nicht nehmen, weil nämlich bei der Nutzung des Strommessers selbst Wärme erzeugt wird. Es kann sein, daß dieser zweipolige Strommesser von sich aus etwas her-vorruft, erzeugt. Und nach Vermutungen erzeugen beide nicht die gleiche Art von Wärme. Es ist immer noch das Beste mit einem einfachen Thermometer zu messen.

Können wir noch einmal auf Dr. Silvert zurückkommen? Denn er war ja eigentlich nur dem Namen nach in Deutschland bekannt.

Dr. Silvert ging zusammen mit Reich ins Gefängnis, ein komischer Kerl war das. Ich war ein paarmal bei ihm. Der hat ja so eine Geburtspraxis gehabt. Bevor er in die Orgontherapie einstieg, war er Gynäkologe und Geburtshelfer. Und in seiner Geburtspraxis arbeitete er in Richtung Orgonomie. Und er hatte wohl auch einigen Erfolg damit, doch kam er auf so ein paar seltsame Ideen. Ich erinnere, was Baker über ihn sagte. Dieser Silvert habe ihm mal erzählt, daß Leute mit blauen Augen, ich weiß nicht was, den Teufel in sich hätten oder sowas in der Art. Ich hab gesehen, er hatte keine blauen Augen, dafür aber Baker. Jedenfalls meine ich, daß er ein extrem schwieriger Typ war. Einmal, erinnere ich mich, habe ich ihn besucht. Ich wollte ihn wegen irgend etwas sprechen . Ich wartete also draußen im Wartezimmer, da in seiner Praxis im Westvillage, und dort stand auch ein Orgonakkumulator. Ich setze mich, während ich wartete, da rein, da kommt er aus seinem Sprechzimmer raus, sieht mich da drinnen sitzen und war ganz außer sich. Der wollte das nicht, daß ein anderer außer ihm seinen Orgonakkumulator benutzte. Nicht wahr, ich bekäme einen DOR-Schaden bzw große Probleme mit meiner Gesundheit und ihm würde das auch schaden. So war er, wirklich. Er übertraf Reich in seiner Art und arbeitete immer mehr nach seinen Methoden und Ansichten. Zu Anfang galt er als gewöhnlicher Außenseiter. Doch schmeichelte er sich zunehmend bei Reich ein und erwarb dessen Sympathie. Zum Beispiel war er einer von denen, die Reich in seinen Fehleinschätzungen bestärkte. Damit lancierte er in eine immer einflußreichere Position innerhalb der Wilhelm Reich-Stiftung und der Orgonbewegung. Er hatte eine Anhängerschaft im Village , die große Stücke auf ihn hielten und zu ihm in die Therapie gingen. Noch zu der Zeit, als ich bereits an meinem Buch schrieb, war ich hinter einigen Dingen her, die es über Dr. Silvert zu erfahren gab. Unter anderen sprach ich mit einigen von den Leuten, die bei ihm in Therapie waren, bzw. mit einer Frau, die seine Lebensgefährtin war. Die waren ziemlich aufgebracht und fühlten sich sehr schlecht deswegen, daß andere in Orgonomiekreisen Silvert für Reichs Inhaftierung verantwortlich machten. Wie Sie wissen, hat er sich das Leben genommen. Wußten Sie das? Er beging Selbstmord kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis. Sein Urteil lautete nur auf ein Jahr. Gewöhnlich wird einem laut amerikanischer Gesetzeslage bei guter Führung ein Drittel der Haftfrist erlassen und derjenige muß sich in Abständen persönlich melden; in seinem Fall, wären das vier Monate gewesen.

Er wurde aber nicht nach 4 Monaten aus der Haft entlassen, sondern erst nach Reichs Tod. Reich saß etwa acht Monate ein.- Grund dafür war, daß er im Gefängnis viel Aufhebens machte. Ein paar Unterlagen seines Führungszeugnisses habe ich gesehen. So bestand er z.B. auf seine Rechte, wollte, daß man seiner Frau die Besuchserlaubnis erteilte. Zudem setzte er getreu der Ansichten Reichs den Gefängnisbehörden auseinander, wie schädlich und ungesund es sei, Menschen auf sexuelle Kontakte verzichten zu lassen. Er beharrte auf bestimmte rechtliche Prozeßbedingungen, von denen Reich, absolut keine Ahnung hatte. Ich denke mir also, daß er sich ziemlich unbeliebt gemacht hatte und sie ihn deshalb nicht eher entließen. Ich sagte bereits, daß er sich erst nach Reichs Tod das Leben nahm und wohl eine Nachricht hinterlassen haben soll, worin er von einer unheilbaren Krankheit spricht, die ihn befallen habe. Keiner kann sagen, was für eine Krankheit das war. Einige Leute, darunter Semion Tropp, die ich noch wenige Tage zuvor, mehrere Male nach seiner Entlassung gesprochen habe, hatten an ihm nie eine Krankheit festgestellt. Ich habe mich oft gefragt und frage mich immer noch, ob es seine Schuld war oder nicht. Er mag auf die eine oder andere Weise sich der persönlichen Schuld an Reichs Inhaftierung und Tod bewußt gewesen sein und wurde vielleicht nicht fertig damit und brachte sich um. Er hatte seine Zulassung als Arzt zurückgeben müssen und durfte nicht mehr als Mediziner praktizieren. Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen war, ging er nach New York City und jobte als Kellner. Daran muß man sich erst einmal gewöhnen, ich stelle mir das nicht einfach vor. Und ich habe die heikelsten Sachen über diesen Burschen gehört - Ich weiß nicht, ob Sie wollen, daß ich davon erzähle, weil manches ziemlich gräßlich ist.

Erzählen Sie uns über all das, worüber Sie sprechen möchten.

Gut, dann erzähle ich lhnen diese eine Geschichte. Okay. Meine Frau damals war gerade schwanger. Und beide waren wir in Orgontherapie und wußten, daß Silvert Geburtshelfer war, diese Praxis hatte, wo er Orgongeburten durchführte, und dachten, das wäre doch 'ne gute Sache. Aber dann kamen mir allerlei Gerüchte zu Ohren, daß er, nachdem das Neugeborene da ist, die Eltern nötigt, die Plazenta* zu essen. Plazenta ist Ihnen klar, was das ist?! Oh Mann, und ich wollte mit meiner Frau dahin gehen. Schließlich wollte ich es von ihm wissen. "Schauen Sie, Dr. Silvert", sagte ich zu ihm, "ich habe von diesem Gerücht gehört, ist da was dran?" Er fragte woher ich das hätte. Ich zähle ein paar Orte auf, wo ich es gehört hatte, und er weigerte sich darauf zu antworten. "Ich möchte doch nur, das Sie mir sagen, es ist nicht wahr, ich glaube Ihnen..." Er sagte nichts dazu. Daraufhin wollte ich von der Person, von der ich es hatte, wissen, was an dem Gerücht dran war, woher er es habe. Ich telefonierte mit mehreren Leuten, zwei Wochen lang oder so, und fragte sie, wo sie es aufgeschnappt hätten. Und es zeigte sich, daß der-, der mir das Gerücht zugetragen hatte, es selber in die Welt gesetzt hat. Er war Kellner im Westvillage. Ich schrieb ihm einen Brief, in dem ich ihm die Leute nannte, mit denen ich gesprochen hatte und die mir bestätigten, er wäre derjenige gewesen, der das Gerücht von sich aus verbreitet habe. Sein Baby kam in Dr. Silverts Praxis zur Welt. Er schickte mir diese Nachricht, ich wünschte, ich hätte sie noch. Darin bestätigte er, daß er das Gerücht verbreitet habe.

Soviel ich weiß, wird das praktiziert.

Ja, wird es das? Von wem?

Das kann ich nicht sagen, ich habe es nur gelesen. In einem Artikel von Eva Reich. Sie schrieb darin über bestimmte Gebärkliniken, die das praktizieren und zwar auf eine humane Art. In welchem Zusammenhang weiß ich nicht mehr, weshalb ich es jetzt auch nicht wiedergeben kann, aber eine Fotokopie kann ich machen. Es ist eine althergebrachte Methode.

Ja ja, Tiere tun das auf jeden Fall. Doch die tun es, weil sie durch den Geburtsvorgang geschwächt sind und deshalb nicht auf Nahrungssuche gehen können, um sich zu stärken. Nicht wahr für sie ist es eine Nahrungsquelle, solange sie sich erholen.

Soweit ich mich erinnere, ein Jahr ist es wohl her, als ich das gelesen habe, soll sie die Muttermilch mit für das Überleben des Neugeborenen notwendigen Bestandteilen anreichern.

Demnach war das also gar nicht so verkehrt und abgedreht. Nun, der Typ schrieb mir zurück: " Es tut mir leid, daß ich Dr. Silvert in Schwierigkeiten gebracht habe, ich hätte das nicht tun sollen. Er zwang uns nicht, die Plazenta zu essen. Ich nahm sie aber trotzdem, briet und aß sie und sie schmeckte wie Leber, nur eben besser." Doch mir scheint, er war nur für Silvert eingesprungen. Ich bin sicher, daß er es nicht getan hätte, hätte Silvert ihn nicht auf diese Idee gebracht :Schon möglich, daß Silvert ihn nicht dazu genötigt hatte, aber ihm möglicherweise gesagt, daß das gut wäre. Vielleicht ist es auch tatsächlich nicht so verkehrt, das was man mir erzählte.

Sie haben doch bestimmt die Sache nach Reichs Tod weiterverfolgt. Was ist aus seinen Mitarbeitern und Anhängern geworden? Konnten Sie mit ihnen über die damaligen Geschehnisse sprechen?

Ich verstehe. Ja, wie Sie wissen, gab es nach Reichs Tod keine Organisation. Eva Reich war ihr Nachlaßverwalter, wie Sie vielleicht auch wissen. Reich hatte sie selbst dazu ernannt. Allerdings war Eva eine flatterhafte Person und fühlte sich selbst zu sehr in die Verantwortung genommen, weshalb sie sich nach jemand Geeigneterem umsah. Dr. Raphael nun war Mary Boyd Higgins behandelnder Arzt, sie selbst wohlhabend und unabhängig, sie brauchte nicht für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, wodurch sie für ihn bestens geeignet schien, den Nachlaß überantwortet zu bekommen. Eva übertrug somit die Nachlaßverwaltungsrechte an sie. Schließlich mußte sie später erkennen, was für eine Person, wie ausnehmend Mary Boyd Higgins wirklich war. Sie betrachtete das Ganze als ihr persönliches Eigentum. Eva versuchte, die Sache rückgängig zu machen und hatte nun aber keine rechtliche Grundlage mehr dafür.

Gab es bezüglich der Testamentsauslegung einen Prozess oder dgl.?

An die Einzelheiten erinnere ich mich nicht. Aber ich erinnere mich, daß mich Mary Boyd Higgins' Anwalt anrief, um mich in den Zeugenstand zu rufen, wegen einer Sache, an die ich mich nicht mehr erinnere. Ich sagte ihm aber gleich: "Hören Sie, bemühen Sie sich nicht, bei mir sind Sie da an der falschen Adresse, ich stehe auf Evas Seite". Dann zitierten sie Baker vor Gericht, auch einer Sache wegen, die fallengelassen wurde. Ich nehme an Eva hatte erwartet Recht zu bekommen, jedoch hielt Mary Boyd Higgins die Hand drauf.

Haben Sie den Vertrag eingesehen?

Ich hab ihn nie gesehen.

Hat ihn überhaupt jemand gesehen?

Ich weiß nicht. Ich könnte mir vorstellen, ein paar Leute schon. Damals gab es viel Verbitterung unter den Leuten . Nehmen Sie Reichs letzte Lebensgefährtin, wie hieß sie doch gleich die, die in Washington D.C. lebte. Aurora Karrer. In Washington D.C. sitzt ein Rechtsanwalt, der kennt sie. Turner heißt er mit Nachnamen. Haben Sie den Namen mal gehört. Turner. Von einem Rechtsanwalt dieses Namens? Verflucht noch mal, was war doch gleich sein Vorname? Von ihm stammt das Buch "Das Chemikalienfestmahl (the chemical feast). Darin enthüllt er sämtliche chemischen Zusätze in unseren Nahrungsmitteln, wie schädlich die in Wirklichkeit sind. Er arbeitete für Nader. Ich weiß nicht, ob Sie Ralph Nader kennen, den Anwalt des Verbraucherverbandes in den Vereinigten Staaten. Für diesen Nader arbeitete er. Er war desweiteren in Therapie. Warum fragen Sie eigentlich nicht Jim Turner. Er ist mit Mary Boyd Higgins und dieser Gruppe liiert. Vielleicht fragen Sie ihn einfach, denn er war der Rechtsanwalt von Aurora Karrer. Und wenn Sie Interesse haben, mit ihr Kontakt aufzunehmen, dann erfahren Sie bestimmt über ihn, wo sie zu finden ist. Als ich mein Buch schrieb, dachte er nicht daran, mich aufzusuchen und sie wollte sowieso niemanden sehen. Vielleicht ist sie mit den Jahren besonnener geworden und wäre jetzt eher zu einem Gespräch bereit.

Hat sie gesagt warum?

Nein, hat sie nicht. Sie besitzt aber eine Menge von Reichs Unterlagen. Ja, wirklich. Reich schrieb z.B. Gedichte im Gefängnis. Gebete nannten die sich, irgendwas in Form von Gebeten, mir ist ihr Titel entfallen. Sie hat sich all diese Dinge unter den Nagel gerissen. Die sollte sie eigentlich dem Nachlaß Reichs zuleiten, was sie ablehnte. Ich habe zwei von Bakers Briefen an sie, worin er ihre Haltung kritisiert, ihre Verbitterung beklagt und meint, sie führe sich auf wie ein kleines Kind, ja richtig kindisch wäre sie. Sie blieb aber bei ihrer Einstellung, indem sie sagte: "Ich habe keine Dokumente, und wenn ich welche hätte, würde ich sie behalten. Wenn ich wollte, könnte ich untertauchen und niemand wüßte, wo er mich suchen sollte". Doch sie hat diese ganzen Unterlagen. Ich weiß gar nicht, was sie damit will. Jim Turner selber hat mir glaube ich gesagt, daß sie sie hat und deshalb versuchte ich an sie heranzukommen. Da ist noch ein anderes Buch von Reich aus der Zeit im Gefängnis, CREATION heißt es, was nie aufgefunden wurde. Jedoch kürzlich erst führte mich eine Spur zu jemandem, der es aus dem Gefängnis mitgenommen haben könnte. Ich will diesen Jemand ausfindig machen. Das wär' doch ein wahrer Fund.

Das wäre einfach fabelhaft. Bestimmt haben sie von William Washington gehört?

Oh ja. Washington ist gefunden worden.

Wir haben gehört, daß er in Rangeley auftauchte und wieder verschwand, nachdem er dort etwas unsanft behandelt worden ist.

Hat man ihn hart rangenommen auf Orgonon? Das ist mir neu. Das tut mir leid. Da muß ich mal Joel fragen. Joel hat mit Washington gesprochen.

Haben sie Washingtons Adresse?

Natürlich nicht, aber Joel hat sie. Joel, wenn Sie mit ihm sprechen wollen, er kann Ihnen bestimmt auch Washingtons Adresse geben. Washington bestritt allerdings, daß er den Motor hat. Sie versuchten an die Motoren zu kommen, die er aber nicht hat, an vieles erinnerte er sich nicht, aber sie hofften, von ihm die Informationen zu bekommen, anhand derer sie den Motor nachbauen können

Hatte er daran gearbeitet?

Oh ja. Deswegen war er wohl überhaupt mit den beiden Motoren, durchgebrannt.

Da gibt es doch das Gerücht...

Nein, nein, das ist kein Gerücht, das stimmt wirklich, zwei Motoren hat er wirklich mitgenommen. Aber meines Erachtens nicht, weil er unbedingt die Motoren haben wollte. Ich denke, er war nur rein zufällig an sie gekommen. Und ich glaube, daß er für Reich arbeitete, unter scheinbaren Vorwänden. Schließlich geriet die Sache an einen Punkt, wo er viel Geld brauchte, und Reich vertrauensselig wie immer, schickte ihm das Geld. William Washington hatte jedoch keine Skrupel, das Geld für völlig andere Dinge zu veruntreuen. Als man ihn schließlich zur Rede stellte und Resultate von ihm haben wollte, konnte er keine vorweisen und brach jeglichen Kontakt zum Orgoninstitut wie auch zu Reich ab. Reich behauptete sogar, William Washington wäre verschwunden. Nach seiner Theorie habe er Verbindung zu den Kommunisten gehabt und sei von denen gekidnappt worden. In seinem späteren Buch "Contact with space" ersann Reich eine mögliche Entführung Washingtons durch die UFO-Leute. Das ist natürlich lachhaft. Denn Reich wußte, wo er war. Das Buch "Conspiracy" , das Reich zusammenstellte, belegt das. Haben Sie es schon mal gesehen oder davon gehört?

Ja, das ist ein echtes Dokument. Ein ganzer Band, in dem all diese Dinge belegt, dokumentiert sind. Ein ganzer Abschnitt darin beschäftigt sich mit William Washington, U.a. enthält es die Aufzeichnung eines Telefongesprächs Reichs mit William Washington in Chicago. Und Reich war so naiv zu fragen, wo er gesteckt habe. Ob er nicht mit ihm reden könne. Nein, das könne er nicht, sagte der. 'Halten sie dich als Geisel gefangen?" "Ja, die halten mich als Geisel fest ." Reich fütterte ihn mit all den Informationen, die er hören wollte. Myron sprach auch mit ihm, und diese aufgezeichneten Telefonate sind mit enthalten in dem Buch "Conspiracy" . Er war nicht verschwunden, sie wußten, wo er sich aufhielt und warteten auf seine Rückkehr. Falls er verschwunden wäre, hätte er es nicht veröffentlicht. Aber er verschwand nicht aus der Gegend, sondern ließ sich einfach nicht mehr dort blicken. Sie schrieben ihm danach eine Reihe Briefe, auf die er nie antwortete.

Dieses Buch Conspiracy, ist es erschienen oder lag es nur als Manuskript vor?

Ja, als ein Manuskript. Ich konnte mir eine Xeroxkopie davon besorgen. Es sind eine Menge Dokumente, Briefe von Reich, Briefe von seinen Anwälten an die FDA, Schriftstücke von der FDA an ihn, das ist alles chronologisch geordnet und wie gesagt dieser ganze Abschnitt zu William Washington. Von Reich "Conspiracy", also Verschwörung genannt. Im Grunde genommen liefert es keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Verschwörung, doch war Reich davon überzeugt. Und bei der Gerichtsverhandlung brachte er diese angebliche Verschwörungssache als Beweisstück vor.

Sehen Sie, jahrzehntelang versuchte man seiner habhaft zu werden, bis schließlich einer auf die Idee hatte, im Quellensicherungsdienst nachzufragen, die Washingtons in Chicago aufzusuchen, und ihm so auf die Spur kam. Zwei von den Leuten suchten ihn dort auf, um mit ihm zu sprechen. Washington war völlig desinteressiert und wie ich glaube, ein bißchen geschmeichelt, daß er plötzlich so starkes Interesse erweckte und man ihn beachtete. Wohlmöglich war das der Grund seines Besuches in Orgonon, doch war er kein ehrlicher, aufrichtiger Mensch. Das Buch "Conspiracy " zeigt eine Fotografie von ihm: schwarz, klein, wohl keine anderthalb Meter, doch soll er ein mathematisches Genie gewesen sein. Reich lernte ihn durch Myron kennen. Ja?! Ja. Es war Myrons Mutter... Sie erinnern sich, Myron schreibt viel über seine Mutter. Sie hatte eine seltsame Theorie von so einer Art sexueller Energie und dann entdeckte sie Reich für sich, erzählte Myron über Reich usw. usf. Er erzählte Reich, als er ihn das erste Mal aufsuchte, daß er auf Empfehlung seiner Mutter gekommen sei. Das stimmte. Reich war gerührt. Und Myron schreibt da über eine bestimmte Sache in Conspiracy. Er dachte an die Möglichkeit, daß Washington über ihn vorsätzlich dort eingeschleust worden sein könnte, um Reichs Arbeit zu untergraben. Nun, das ist dieses gewisse Etwas, nicht wahr, was Reich von seinen Mitarbeitern verlangte. Wissen sie genug über die Moskauer Prozesse, wo es darum ging, daß alte Bolschewiki angesetzt waren, Gift in alle Welt zu streuen. Zu den Faschisten hatten sie Verbindung, den Kommunismus unterwanderten sie usw. Dieselbe Angelegenheit.

Eine weitere Frage, die mich noch interessiert. Wir haben von Dr. Herskowitz gehört damals, daß Dr. Cott.....

Oh ja, Dr. Cott haben sie mit ihm gesprochen? Nein? Er ist ausgestiegen aus der Orgontherapie. Ja. Er war schockiert von Dr. Silvert, glaube ich . Er macht heute Vitamintherapie.

Herskowitz erzählte uns, daß er von Silvert schockiert war.

Ja, wirklich? Silvert praktizierte doch diese ziemlich unbequeme Sexualtherapie.

Können sie dazu etwas konkreter werden?

Nein, er hatte sich dazu auch nie geäußert. Sehr unbequem -

Sie meinen nicht zufällig unkonventionell, ungewöhnlich? ....

Aber Dr. Cott sagte für die FDA gegen Reich aus.

Da gibt es einen Typen, mit Namen Neithon Hale, ich weiß nicht, haben Sie mal von ihm gehört? Als einer der ersten Reichianer kam er zur FDA und hatte dort Einsicht in Reichs Akten. Er ist außerdem Patient von Cott gewesen und konnte Cotts Zeugenaussage gegen Reich einsehen, und dieses Papier hat er aus den Akten entfernt. Er erzählte mir das, doch meine ich, er hat das nie begriffen. Er war Cott so zugetan, daß er glaubte, Cott habe ihm derart geholfen, daß er sich hernach nicht diesen Ruf einhandeln sollte. Doch sagte Cott dann gegen Reich aus und meinte, der wäre ja verrückt gewesen usw. usf..

Er hat doch aber mit Reich zusammengearbeitet? Wußten die anderen Therapeuten davon?

Von dieser Zeugenaussage? Ich denke nicht. Weil ich denke, er machte diese Aussage nach seinem Weggang. Genau weiß ich gar nicht, wann er wegging. Ich meine aber, sie wußten nichts davon, weil sich die einzige Aufzeichnung davon in den FDA-Akten befand und Neithon Hale der erste Reichianer war, der diese Akten einsehen konnte. Er hat sie herausgenommen.

Wir haben von Dr. Herskowitz gehört, daß Dr. Cott ziemlich von Dr. Silvert schockiert war, daß das mit ein Grund war, Reich verlassen zu haben.

War das ein Grund für Cott, Reich zu verlassen, weil er von Silverts Praktiken entsetzt war? Also vorstellen kann ich mir das. Etliche von den Ärzten waren schockiert und beschwerten sich über Silvert. Aber selbst zu Reichs Zeiten, nicht wahr, Reich nahm das alles ernst, weil Silvert so vieles von seinen realitätsfernen Vorstellungen und Fehleinschätzungen mit unterstützte.

Ich wollte eine Frage in dem Zusammenhang stellen. Dr. Cott, Dr. Raphael und Dr. Baker- waren doch alle zusammen in einem Krankenhaus tätig, bevor sie mit Reich in Berührung kamen.

Die alle kamen von ein und demselben Krankenhaus genau. Aus der- Nervenklinik von New Jersey. Baker und Dr. Raphael waren ja eigentlich befreundet. Dr. Cott und Dr. Raphael waren befreundet. Sie waren eng befreundet.

Wie kam es dann zum Bruch?

Nicht wahr, zum Teil wohl daher daß Raphael mit Higgins liiert war. Jedenfalls standen sie sich näher als bloß Therapeut und Patient. Und Stück für Stück drifteten die beiden, Baker und Raphael auseinander. Baker schrieb dieses Buch "Meine Lebensjahre mit Reich." Als Buch ist es nie erschienen, jedoch wurden die Kapitel daraus auszugsweise im Journal of Orgonomy veröffentlicht. Baker spricht dabei über sein Verhältnis zu Raphael, wie eng es war und was dann geschah. Ich denke, daß es unvermeidlich war und zwangsläufig so kommen mußte, nicht wahr? Denn zu Reichs Lebzeiten war dessen moralische Autorität so stark, daß etwaige Meinungsverschiedenheiten untereinander dadurch übertüncht wurden. Nach dessen Ableben allerdings war da keiner mehr, der diese führende Position einnahm, auch wenn er gekonnt hätte. Baker hätte zwar gekonnt, war aber eher ein ruhiger, zurückhaltender Typ und lehnte ab. Ca. vier, fünf Jahre gingen ins Land, nachdem Reich gestorben war, als Baker schließlich die amerikanische Orgonomie -Vertriebsgesellschaft, American College of Orgonomy gründete und die Zeitschrift für Orgonomie, Journal of Orgonomy herauszugeben begann. In der Zwischenzeit waren noch andere Dinge im Gange in deren Verlauf Raphael eben von Mary Boyd Higgins immer stärker mit der Verwaltung des Reichschen Vermögensnachlasses betraut wurde.- Der beiden Differenzen wuchsen sich schließlich zur Feindschaft aus. Baker hat ein Buch geschrieben, nicht wahr "Man in the Trap" ( Der Mensch in der Falle) Raphael reagierte darauf mit einem Buch, daß er "Wilhelm Reich - Unverstanden und mißverstanden " nannte oder so ähnlich. Raphael übte damit Kritik an Bakers Buch.

Kennen Sie die beiden ?

Baker kenne ich, ich war bei ihm in der Therapie. Ihn kenne ich viel besser. Raphael bin ich dagegen nur einige Male ganz kurz begegnet. Ihn kenne ich nicht so gut.

Können sie uns etwas über Baker erzählen ? Können sie uns vielleicht erzählen, was für ein Mensch er war. Wir haben uns mit seinem Sohn Courtney Baker unterhalten, doch er wollte über seinen Vater nicht viel sagen. Die beiden verstanden sich wohl nicht so gut, und auch die anderen Leute hatten nicht allzuviel über ihn zu sagen. Blasband verweigerte die Aussage. Blasband wollte nichts erzählen.

Oh ja, ist das wahr?

Blasband hat wirklich ganz kurz nur und sehr dezent über Orgonomie gesprochen.

Ich verstehe, er wollte sich nicht über die Leute auslassen? Wie ich schon sagte, Baker war kein so energiegeladener Mensch, nahm dafür aber seine Arbeit sehr ernst, und er hatte unwahrscheinliche Augen. Wirklich unglaublich... Sie schauen in seine Augen und fühlen sich wie benommen, in solchen Augen fühlen sie sich ganz verloren. Er ist aber um '82 herum gestorben und mir scheint, Courtney und seine Mannen stiegen aus dem Zeitschriftenprojekt, dem American College of Orgonomy aus, wohl vier, fünf Jahre, bevor Baker starb. Mit einiger Berechtigung glaube ich, wollten sie, daß Baker von seinem Chefposten beim American College of Orgonomy zurücktrat, worauf er sich wiederum nicht einlassen wollte. Jedoch in den letzten Jahren seines Lebens brachte er ihnen keinen großen Nutzen mehr. Er fuhr zwar mit dem Schreiben von Artikeln, die auch ganz interessant waren, fort, als Therapeut aber war ihm die Energie ausgegangen. Dafür war er ein sehr toleranter Mensch. Viel aufgeschlossener als die anderen Orgonomisten. Im Journal of Orgonomie war ein Artikel zu der ganzen Angelegenheit, den kommunistischen Verschwörungsakt, was ich nie für bare Münze nehmen konnte. Der, der ihn verfaßt hatte, sprach von drei Dingen, die angeblich als Beweise für eine Verschwörung taugten. Die Einsteinaffäre, der Weggang seines Assistenten Infeld. William Washingtons Verschwinden und noch eine dritte Sache, ich hab vergessen, was es war.

Ich wandte mich also mit einem Brief an die Zeitschrift. Darin teilte ich ihnen u.a. mit, daß es nicht wahr sei. William Washington sei aus dem und dem Grund verschwunden. Er war mit Reich in Kontakt und jeder auf Orgonon wußte genau, wo er sich aufhielt. Dann diese zweite Sache mit Einstein. Ich telefonierte mit Einsteins Sekretär. Und es stellte sich heraus, daß Infeld bis einige Zeit nach dem Kontakt mit Reich nicht dort aufgekreuzt war. Es war 1940 - wann war das, '41 oder '39? - als sich Reich mit Einstein traf und diesen Versuch aufbaute. Das ist nicht länger ein Indiz für eine Verschwörung. Ja, und diese dritte Sache, ich weiß nicht mehr, was es war. Auch Lewis war ganz schön wütend darüber. Sie wollte nicht damit an die Öffentlichkeit. Ich sprach also mit Baker, er solle diese Fakten anführen. Das seien die Fakten, die wahren Tatsachen. Baker willigte schließlich ein, die Sachen zu veröffentlichen. Und warum Lewis Wywell wegging, geht u. a. auf solcherart Vorgänge zurück. Sie war in ihrer ideologischen Überzeugung strikt dagegen, daß jemand von der offiziellen Linie absprang, aus welchen Gründen auch immer. Das ist eine von den netten Seiten Bakers, daß eiserne Konsequenz nicht so seine Sache war. Er konnte mit der Wahrheit umgehen. Und er hat sicherlich mehr von einem echten Reichianer, das ist es, was Reich wollte, nicht wahr. Er berichtete von seinen Mißerfolgen wie von seinen Erfolgen, er gab Unsicherheiten zu. Wissen Sie die anderen, die es betrifft, wollen das Ganze zur Ideologie erheben. Wie das Parteiprogramm einer kommunistischen Partei. Baker hatte nicht diese starre Ausrichtung, was ihn sympathisch machte. Der Artikel wurde also veröffentlicht und ich bekam einen Anruf von XX nach dessen Erscheinen, wie gesagt, und er glaube auch nicht an eine kommunistische Verschwörung. Ich schätze, nach Aussage dieses Briefes im Journal of Orgonomy, sah sich XX außerstande zu behaupten, daß es eine kommunistische Verschwörung gegeben habe und sie mit neuen Fakten aufwarteten. Beide entschieden, daß derartige Fakten nicht als Indizien für irgendeine kommunistische Verschwörung in Frage kämen.

Dr. Baker war überzeugter Antikommunist, wie ich weiß.

Aber ja. Die ganzen Leute beim Journal of Orgonomy waren Überaus antikommunistisch, antiliberal eingestellte Leute. Sehr konservativ.. Sie verwanden viel Geld auf das Therapieren über 100, 120, 125 $ je Sitzung. Und ein Teil ihrer Ideologie hilft ihnen diese Sache zu rechtfertigen

Würden Sie dann sagen, daß Dr. Baker politisch rechts war, in dem Sinne oder eigentlich nur konservativ? War er im guten Sinne, wie Reich das nannte, konservativ oder gehörte er zum harten rechten Flügel?

Ich denke, er stand ziemlich weit rechts, allerdings gleichermaßen rechts, wie auch Reich zu dieser Gesinnung gekommen war.

Glauben Sie nicht, daß er wegen Reich eine rechte Auffassung vertrat oder?

Ja natürlich denke ich, es ist wegen Reich.

Haben Sie mal Sobey kennengelernt ?

Oh, ja.

Weil, wir haben diese Geschichte von Sobey gehört. Er war eher Marxist, er gehörte mehr zu den Linken.

Ja wirklich? Aber wann war er denn Marxist?

Zu Reichs Zeiten, als Reich es auch war.

Und was war dann? Schwenkte er nach rechts über?

Reich sagte zu ihm, daß er immer noch Marxist sei. "Ich bin nach wie vor Marxist und sie sollten das nicht vergessen,"

Ah, ja, ich verstehe. Das glaube ich gern. Doch meinte Reich etwas ganz Spezielles damit.

Richtig.

Er meinte damit nicht, daß er Kommunist sei. Doch, denke ich, Marxist war er und ist es immer geblieben, und zwar in dem Sinne, wie Marx eben mit wissenschaftlichen Mitteln die Welt zu verändern meinte. Reich hatte das von Marx, zweifellos. Nämlich die Vorstellung die menschliche Existenz könne mit den Mitteln der Wissenschaft qualitativ verändert werden.

Das ist für uns eine ganz persönliche Erfahrung, die wir auch in Amerika gemacht haben, daß wir nicht über die Grundlagen der marxistischen Lehre - etwa den dialektischen und historischen Materialismus sprechen können, ohne sofort mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht zu werden.

Wie ist nun Dr. Baker unter diesem Gesichtspunkt einzuschätzen? Sie wissen doch. Reich war seinerzeit Kommunist und Marxist.

Nur ein ehemaliger Kommunist, kann den Kommunismus wirklich verstehen. Und wie ist es mit Baker? Nein, er war nie Kommunist.

Aber er stellte diesen Kommunismus doch in Frage.

Ja, natürlich, aber diskutierte er doch aus einer schon immer konservativen Position heraus, während hingegen Reich zu seiner konservativen Einstellung erst nach seinen Erfahrungen mit den Linken gelangt war. Seine marxistische Gesinnung hatte er nie ganz aufgegeben, nicht wahr? Ich wollte eben noch was anderes sagen. Seine ganze Auffassung vom orgonomischen Funktionalismus ist tatsächlich eine Form dialektischer Denkart. Reich, nicht wahr, ist dialektischer Materialist. Sie haben die dialektische Wechselwirkung der Gegensätze, was Reich die gleichzeitige Identität und Antithese nannte. Nicht wahr? Im Grunde hatte er die dialektischen Grundsätze übernommen.., er sah das Ganze nur in einem etwas anderen Rahmen. Aber es ist im Grunde das gleiche dialektische Denken.

Ich möchte noch mal die Frage stellen. Das ist so schwierig. Also wenn Reich in dem Sinne von seinen Ansichten her nicht links war, kann man dann sagen, daß Baker von seinen Aussagen auch nicht rechts war?

Baker hatte in dem Sinne keine politische Vergangenheit. Baker hatte mit Politik nie etwas zu tun. Mit Sicherheit war er nicht in radikale politische Gruppierungen verwickelt. Er war schon immer Arzt- Also mehr eine Haltung, die er von Reich übernommen hat.

Habe ich das richtig verstanden? War seine Familie schon konservativ?

Ja, er entstammt einer wohlsituierten Familie. Über seine Familie hat er wenig geschrieben. Das waren altmodische, bibeltreue gewöhnliche Konservative, anständige Leute. Das waren nette Leute, wie es scheint Sie hingen schon irgendwelchen abweichenden Ideen an. So erzählte er mir einmal, von seinen Eltern und Großeltern, da hätte jemand im Bürgerkrieg gekämpft oder wäre gegen die Sklaverei gewesen. Also eine Art aus dem Rahmen fallen in Bakers Lebensgeschichte, aber verwickelt in radikale Politik war er mit Sicherheit nie. Ich habe oft daran gedacht, ob man Reich nicht in geistige Nähe mit Trotzky rücken könnte. Sind Sie mit Trotzkis Radikalismus vertraut? Sie waren übrigens beide (Trotzki und Reich) zur selben Zeit in Oslo, sind sich aber nie begegnet, welch Schande, nicht wahr. Das hätte sicher ein höchst interessanter Gedankenaustausch zwischen Trotzki und Reich werden können. Ich weiß allerdings nicht, ob Reich Trotzki überhaupt erwähnt. Trotzkis Kritik an Stalin und der Sowjetunion, wenn auch aus rein politischer, jenseits aller psychologischer Sicht, erinnert doch sehr an Reichs kritische Haltung. Im übrigen gingen viele von ehemaligen Trotzkianhänger in die Orgontherapie. Ja und ich selber war früher auch Trotzkist. Ich kenne noch andere ehemalige Trotzkisten, die dann in die Orgontherapie gegangen sind. Die Stalinisten gingen in die Psychoanalyse, die Trotzkisten in die Orgontherapie. Ich traf Trotzkis Frau in Mexiko.

Es war gleich nach dem Krieg, als ich 1946 aus der Kriegsflotte entlassen wurde, daß ich nach Mexiko ging. Und es gelang mir, mit einem amerikanischen Trotzkisten zusammenzutreffen. Es verschlug mich also zu einem Trotzkisten nach Ouiro con Fortes. Ich sprach zudem ein wenig Russisch, weil ich aus Rußland stamme, und konnte mich mit ihr unterhalten. Und sie bot mir prompt einen Job als ihr Fahrer an, und ich habe ihr das Angebot ausgeschlagen, was ich ewig in meinem Leben bereue, daß ich ihn nicht angenommen habe. Das wäre eine phantastische Erfahrung gewesen. Jetzt jedoch ergibt das alles kaum noch einen Sinn, wo Trotzki tot ist und ich letztes Jahr in Rußland war und gesehen habe, wie die Leute über Trotzki reden,- man kann jetzt in Rußland über Trotzki reden. Unsere Reiseleiter meinten, daß Trotzki im Bürgerkrieg gekämpft habe. Ich sagte: "Was meinen Sie mit Bürgerkrieg gekämpft'? Er ist der Begründer der Roten Armee"..........

Ist es demnach immer noch ein Problem als Amerikaner nach Rußland zu kommen, Kontakt zu den Einheimischen aufzunehmen, wie das früher war?

Nein, nicht mehr. Ich traf Leute auf der Straße, die in die Vereinigten Staaten kommen wollten. Ich hatte allerdings den Eindruck, je weiter weg man von Moskau kam, desto freier bewegten sich die Leute und waren zu Gesprächen bereit. In Moskau ist man immer noch ein bißchen vorsichtig, und trotzdem sprachen wir mit Leuten auf der Straße und massig Amerikaner haben wir gesehen.

Und wie ist es mit den Amerikanern? Was sagen sie, wenn sie hören, daß Sie in Rußland waren?

Oh, das ist kein Problem mehr, besonders seit Gorbatschow nicht mehr. Seit Rußland nicht mehr unser Erzfeind ist. Die Ära des Kalten Krieges ist so gut wie vorbei. Es ist unglaublich was zur Zeit in China ab geht (Greenfield meint die Studentenaufstände). Und in Rußland. Meiner Meinung nach gerät die kommunistische Idee ganz schön in Mißkredit. Es ist kaum noch etwas davon übriggeblieben. Es kursierte seinerzeit mal so ein Witz: Kennen Sie den längsten Weg zum Kapitalismus? -Der Kommunismus!

Was ich noch gern fragen würde ist, im Zusammenhang mit Dr. Baker und Dr. Raphael, über dieses Buch "Der Mensch in der Falle." Waren das die politischen Teile darin, die zur Auseinandersetzung geführt haben, oder die therapeutischen? Diese beiden Bücher von Baker und Raphael, die Sie erwähnten, gab es in der Sache Baker und Raphael politische Diskrepanzen, oder waren therapeutische Unstimmigkeiten entscheidend?

Nein, nein, soweit ich mich erinnere, war das, was Raphael an Baker auszusetzen hatte, weit entfernt von politischen Querelen. Es hatte zu tun mit den Auslegungen einiger von Reichs therapeutischen Ansichten, wonach Baker einige von Reichs Gedanken als seine eigenen ausgegeben haben soll. Baker blieb in der Präsentation des Materials nicht immer ehrlich und wollte den Eindruck erwecken, als sei er auf der Grundlage eigener klinischer Erfahrungswerte zu bestimmten Schlußfolgerungen vorgedrungen, wo diese in Wirklichkeit aber von Reich stammten.

Und Dr. Raphael, was ist das für ein Mensch?

Ich bin ihm nur kurz begegnet, habe aber gehört, daß er ein kluger Kopf ist, einer der besten unter den Orgontherapeuten. Einige waren darunter, die nicht sehr intellektuell waren, nicht wahr.

Wir hatten bei dem Telefonat mit ihm eher den Eindruck, das er sehr frustriert und verbittert ist.

Verbittert, er?

Na, weil er immer behauptete, die Leuten kämen zu ihm, weil sie etwas von ihm haben wollten.

Ich hatte das Gefühl, daß er auf den Gedanken verfallen war, das die einzige rechtmäßige Organisation, die Reich vertreten und zugleich gerecht werden könnte, das Reich Museum wäre. Mrs. Higgins tue jederzeit alles für Reich und gebe ihr ganzes Leben dafür hin, das sei mehr als sie tun könne. Sie werde ganz krank davon, sie stecke so in Arbeit und keiner habe ein Auge dafür und unterstütze sie dabei .

Aha, das ist interessant, mir ist nie aufgefallen, daß sie sich so fühlt.

Ich erzählte ihr, daß wir mit XXXX zusammenarbeiten, und sie antwortete,"...sie interessiere die Arbeit von irgendeinem XXXX oder sonstwem nicht..."

Ja, genauso verhalten sich auch die Leute vom American College of Orgonomy. Ich denke schon, vielleicht nicht ganz so, wie wir das jetzt sehen, aber starr und verbiestert sind die alle irgendwie. Nicht wahr, sie sagen rein gefühlsmäßig, hätten sie allein ein Recht sich über Reich zu äußern. Als ich zu meinem Buch recherchierte, nicht wahr, hatte ich William Moise um eine Unterredung gebeten, die er mir glattweg verweigerte. Er sagte, der Prozeß sei eine Farce gewesen und habe die Sachlage entstellt, wie seine späteren eindringlichen Untersuchungen ergeben hätten.

Das war der Mann von Eva Reich, nicht?

Ja ihr Ehemann. Und dann auch William Steig, haben Sie mal von dem gehört? Nicht wahr, William Steig war zu der Zeit bei Reich. Haben Sie sein Buch "Listen litte man" (Hör zu kleiner Mann ) gelesen. William Steig hat es illustriert. Er ist ein recht bekannter Künstler, der für das New York Magazine Karikaturen zeichnete. Ja, er stand Reich sehr nahe und könnte alle möglichen wichtigen Informationen über die letzten Paar Monate vor Reichs Inhaftierung geben, aber ist nicht zu einem Gespräch bereit. Er hat es abgelehnt, mit mir zu sprechen. Dieselbe Sache, nicht wahr, sie befürchten daß, wenn sie etwas darüber preisgeben, daß es irgendwie verzerrt und entstellt wird und so bleiben sie lieber drauf sitzen. Er ist so alt inzwischen, daß er möglicherweise bald sterben w i r d ....

Und sie haben diese Leute auch nie mehr gesprochen, später, also Jahre danach?

Nein. Es sind der Dinge zu viele die da zu besprechen wären. Ich habe auch festgestellt, daß sich mit denen (die nicht persönlich invulviert waren) viel einfacher über all diese Dinge, wie sie geschehen sind, reden läßt, als mit denen, die diese Geschichten selbst mit- erlebt haben. Wissen Sie, ich wäre am liebsten auch dabei gewesen, doch sie haben gewissermaßen ein persönliches Interesse daran und ich komme nicht dahinter, worin ihr Interesse besteht. Möglicherweise fühlen sie sich sogar mit Schuld an dem, was passierte und fühlen sich daher Reich verpflichtet, an seinen abschließenden Gedanken und Empfindungen festzuhalten, nicht wahr, so absolut und starrsinnig, so jemand wie Lewis Wywell, Raphael und andere.

Schreibt Lewis ein Buch?

Nein, sie gibt eine Zeitschrift heraus.

Eine Zeitschrift nur?

Soviel ich weiß ja, aber vielleicht schreibt sie ein Buch .

Lewis hat doch am Telefon gesagt, das sie alles in ihr Buch geschrieben hätte und nichts darüber hinaus zu sagen hätte.

Zum Beispiel erinnere ich mich an Eva Reich, wie sie einmal sagte, sie wolle ein Buch schreiben, nur hatte sie Mühe sich vorzutasten und sich damit vertraut zu machen. Ich schrieb ihr eine Unmenge Briefe und beteuerte ihr, daß ich als Autor gern mit ihr zusammenarbeiten würde. Weiß Gott, sie hätte ein fabelhaftes Buch schreiben können. Ich meine, sie hat ja all dieses phantastische Material, ich hab ihr also geschrieben, ich wäre froh, mit ihr gemeinsam dieses Buch zu schreiben. Sie hatte aber leider kein Interesse. Zumindest damals hatte sie kein Interesse daran, dieses Buch zu schreiben.

Sie ist eine bemerkenswerte Frau, ein bißchen exzentrisch, verrückt, sonderbar. Das Wort flaky - schwer zu übersetzen - kennen Sie doch. - Man weiß bei ihr vorher nie genau, was sie jetzt wieder für komische Dinge sagt, manchmal ist sie wie weg, ganz woanders, nicht wahr, aber ein phantastischer Mensch ist sie. Ich habe sie einmal bei einer ihrer Vorlesungen erlebt, ich erinnere mich gut. Das war an der New Yorker Universität. Und mitten in der Vorlesung hält sie plötzlich an, geht auf einen jungen Mann zu, dessen Blick ihr wohl durch und durch ging, vorn in der ersten Reihe und sagt zu ihm: "Entschuldigen Sie, aber würde es Ihnen was ausmachen, wenn Sie sich nach hinten setzen, ich kann nicht ertragen, wie sie mich anstarren?". Und ich habe seine Augen gesehen, wie er bei mir vorbeiging. Der Mann hatte wirklich was Manisches, was von einem Verrückten. Seine Augen brannten, und ihr war dieser Blick unerträglich, sie und Baker, nicht wahr, waren auf ihre Art sehr sensibel. Ich weiß nicht, ob Sie mal von Paul Matthew gehört haben, vor zwei Jahren ist er gestorben. Er steuerte damals den politischen Teil von Bakers Buch bei, und John Bell auch. Haben Sie von John Bell gehört?

Nein, keine Ahnung, wer er ist .

Oh, John Bell gehört zum American College of Orgonomy und lebt in der City von New York. Sie könnten ihn bei Gelegenheit mal aufsuchen. Er gibt oft Interviews, wo er über Reich spricht. Er ist wie gesagt einer von den Organisatoren des ACO (American Collage of Orgonomie), welche bekanntlich nicht so gut auf Eva zu sprechen sind. Eva nahm sich nie ein Blatt vor den Mund und platzte immer mit dem heraus, was sie dachte, ein sehr ehrlicher, aufrichtiger Mensch. Und da gab es auch die eine oder andere Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und den anderen. Daher mochten sie sie nicht sonderlich.

Hoppe mochte Ilse nicht leiden. Ich erinnere mich an einen Brief von Hoppe, zu der Zeit, als mein Buch herauskam, worin er mein Buch kritisierte. "Es tut mir leid, daß Sie Ilses Meinung sind, was Reich angeht". Er meint hauptsächlich Reichs Irrationalismus, über den wir uns vorhin verständigt hatten. Hoppe war nicht viel anders als die anderen. Er war nicht so stur, aber teilte doch leidenschaftlich Reichs Mutmaßungen von jener Verschwörung seitens der Kommunisten und jener kommunistischen Infiltrierung oder Durchsetzung der FDA und all dieses Zeug. Das verletzt Sie doch hoffentlich nicht? (gemeint ist hier John, der bei Hoppe Therapie nahm)

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Anmerkung John Trettin:

* Eva Reich wies darauf hin, das mit Ausnahme von Walen, Menschen - und Tieren, die in Gefangenschaft leben alle Säugetiere nach der Geburt ihre Plazenta essen. Sie empfiehlt dies ebenfalls Frauen nach der Geburt zu tun, jedoch nur kleinere Mengen der eigenen Plazenta zu essen oder zu kauen. Sie machte ein Experiment mit 6 Frauen. Das Resultat war, daß die Gebärmutter sich besser schloß und die Milchdrüsenproduktion besser war als üblich. Der Herausgeber aß selber ein Stück der Plazenta nach einer Geburt. Sie schmeckte ausgesprochen gut und hatte eine wahrscheinlich aufgrund der Hormone eine stark stimulierende positive Wirkung. Das Problem dieser Praxis scheint also ein rein psychologisches zu sein, weil es in unserer Kultur nicht üblich ist, so etwas zu tun. Die Äußerungen im Interview unterstreichen somit nur den Pionier Charakter von Dr. Silvert, der anscheinend sehr progressiv war und zudem bemüht war Reichs Cloudbustingexperimente finanziell machbar zu machen.

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